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Initiative Selbsthilfe Multiple Sklerose Kranker e. V.

Melisse: Medizin für Körper und Seele

Alexandra Manger, Blickpunkt-Ausgabe 04/2023

Bereits Plinius, Hildegard von Bingen und Paracelsus wussten sie zu schätzen, und in vielen Kräutergärten ist die Melisse (Melissa officinalis) heute noch vorhanden. Aber auch die Tierwelt ist ganz begeistert. Blaumeisen lieben die Pflanze, weil sie damit Parasiten aus dem Nest vertreiben können, und für Bienen und andere Insekten ist die Melisse eine sehr beliebte Futterpflanze. Wegen ihres zitronenartigen Geruchs wird sie meist „Zitronenmelisse“ genannt.

Deutscher Name: Zitronenmelisse
Wissenschaftlicher Name: Melissa officinalis L.
Familie: Lippenblütengewächse, Lamiaceae
Volksnamen: Zitronenmelisse, Bienenkraut, Frauenwohl, Herztrost
Herkunft: Östliches Mittelmeer
Verwendete Pflanzenteile: Frische und/oder getrocknete Blätter und das ätherische Öl
Inhaltsstoffe: Melissenöl mit Citronellal, Citral und Caryophyllen, sowie Mineral-, Gerb- und Bitterstoffe und geringe Mengen an Flavonoiden

Ordnung ist das halbe Leben

(Lebens-)Ordnung ist das halbe Leben, das wusste bereits Pfarrer Kneipp. Seither hat sich unser Leben grundlegend verändert. Einerseits ist es durch den technischen Fortschritt deutlich leichter geworden, andererseits wird von uns verlangt, immer und überall erreichbar zu sein, und das möglichst schnell. Auch scheint es mittlerweile selbstverständlich geworden zu sein, Überstunden anzuhäufen und weiter an unsere Belastungsgrenze zu gehen. Erstaunlicherweise meinte bereits Pfarrer Kneipp zu seinen Lebzeiten, dass die Zeit stressiger geworden sei. Ich frage mich insgeheim des Öfteren, was man in früheren Zeiten über all den heutigen Stress gedacht hätte und wie es wohl in der Zukunft aussieht. Aber so sind die Kneipp’schen Säulen aktueller denn je.

Bei der Gelegenheit möchte ich ein paar Zeilen über die Melisse schreiben, die bereits im Jahr 2006 zur Heilpflanze des Jahres ernannt wurde. Besonders in unserer heutigen hektischen Welt ist sie eine wichtige Pflanze. Ihre entspannenden und beruhigenden ätherischen Öle helfen gut an anstrengenden Tagen und unterstützen den Schlaf als sanfte Kraft für Körper, Geist und Seele, damit wir gut ausgeruht in den nächsten Tag starten können.

Geschichte und Anwendungen

Die Melisse ist eine der ältesten und bekanntesten Heilkräuter, die in vielen Kloster-, Bauern- und Kräutergärten nicht fehlen darf. Sie wurde im Jahr 10 n. Chr. von den Arabern nach Europa gebracht. Dort nutzten die Römer sie gegen Herzkrankheiten und Milzleiden, wie später auch Hildegard von Bingen, die sie deshalb Herztrost nannte:

„Die Melisse ist warm. Ein Mensch, der sie isst, lacht gerne, weil ihre Wärme die Milz berührt und daher das Herz fröhlich macht.“

Sie behandelte mit der Melisse Hornhautflecken, Schlafstörungen und Depressionen. Aber auch bereits viel früher meinte Paracelsus:

„Melisse ist von allen Dingen, die die Erde hervorbringt, das beste Kraut für das Herz; innerlich genossen macht sie fröhlich und erheitert das Herz. Sie erneuert alle Kräfte des Körpers“.

Er wandte die Pflanze im Sinne der Signaturenlehre wegen ihrer herzförmigen Blätter bei Herzkrankheiten an.

Ihre volkstümlichen Namen wie Nervenkräutel, Frauenwohl oder Herztrost weisen heute noch auf die vielfältige Verwendung in Vergangenheit und Gegenwart hin. Der botanische Name Melissa bedeutet Honigbiene, und das Officin war früher der Verkaufsraum einer Apotheke. Officinalis weist also auf eine Heilpflanze hin. Melisse wirkt entkrampfend, beruhigend, antibakteriell und virustatisch. Überall dort, wo unsere rhythmischen Abläufe gestört sind, kommt die Melisse zur Anwendung, also z. B. bei Herzbeschwerden, Magen-Darm-Leiden, Menstruationsbeschwerden, Schlafstörungen, Unruhezuständen, Kopfschmerzen, Depressionen und auch bei Erkältung. Bei neueren wissenschaftlichen Untersuchungen in Großbritannien wurde nun festgestellt, dass Melisse die Gehirnleistung verstärkt und dadurch auch Demenzkranke unterstützen könnte. Ebenso ist die äußerliche Anwendung von Melisse bei Lippenherpes klinisch belegt. Ein Inhaltsstoff der Pflanze ist hier für Forscher*innen besonders interessant: Die Rosmarinsäure wirkt gegen das Andocken des Virus an die Wirtszelle und verhindert so die Vermehrung von Herpes. Eine Salbe daraus, LomaHerpan, ist in Apotheken erhältlich.
Karl der Große ordnete sogar an, dass Melisse in den Staatsgütern anzubauen sei.

Weitere Pflanzen für die Seele

Baldrian (Valeriana officinalis) wird u. a. bei Angstzuständen (Prüfungsangst), Einschlafstörungen und innerer Unruhe verabreicht. Die Inhaltsstoffe greifen hemmend auf Botenstoffe im zentralen Nervensystem ein.

Hafer (Avena sativa) wirkt u. a. bei Nervenschwäche, Stress, Lampenfieber, nächtlicher Unruhe, Schlaflosigkeit, nervöser Ermüdung oder Erschöpfung.
Hopfen (Humulus lupulus) hilft bei unruhigem Schlaf, in Kombination mit Baldrian ist die Wirkung aber noch besser.

Johanniskraut (Hypericum perforatum) wirkt u. a. stimmungsaufhellend, löst Angstzustände und lindert nervöse Unruhe.

Lavendel (Lavandula angustifolia) als Öl wirkt beruhigend und fördert den Schlaf. Vor dem Essen getrunken, regt der Tee die Verdauung an, lindert Blähungen und Krämpfe. Am Abend wirkt er als Einschlaftrunk.

Passionsblume (Passiflora incarnata) wirkt beruhigend, kann Ängste lösen und das Einschlafen erleichtern.

Rosenwurz (Rhodiola rhosea) wirkt antidepressiv, da sie den Serotoninspiegel hebt. Hier werden Extrakte aus der Wurzel und dem Rhizom zur Linderung bei Stress und Überarbeitung eingesetzt.

Taigawurzel (Eleutherococcus senticosus), auch sibirischer Ginseng genannt; die Extrakte der Wurzel gelten als wirksames Stärkungsmittel bei Stress.

Anwendung/Rezepte

Melissentee

2 TL getrocknete Zitronenmelissenblätter, bei frischer Melisse darf es die doppelte Menge sein, mit 1 Tasse kochendem Wasser übergießen, etwa 10 min lang zugedeckt ziehen lassen. Die Tasse oder das Teegefäß abdecken, damit die flüchtigen ätherischen Öle der Melisse nicht verloren gehen. Bis zu 5 Tassen täglich.

Melissentee ist hilfreich bei Unruhe und Einschlafstörungen. Aber auch bei Menstruationsbeschwerden kann er lindern. Ein Melisse-Dampfbad hilft bei fettiger Haut.

Auch in der Küche ist die Melisse gut zu gebrauchen. Einerseits kann sie Süßspeisen und Getränke geschmacklich und optisch verfeinern, ist aber andererseits auch ein erfrischendes Gewürz für grüne Salate oder Kartoffelsalat. Auch Fischgerichte kann man mit ihr abrunden.

Beruhigendes Vollbad

50–60 g Melissenblätter in 1 l Wasser zum Kochen bringen, 10 min ziehen lassen, dann abseihen und in (etwa 36–38 °C) warmes Badewasser geben, die Badedauer von 15–20 min nicht überschreiten.

Beruhigendes Schlafkissen

2 Teile Zitronenmelisse, 1 Teil Hopfenzapfen mit 1 Teil Rosenblüten mischen und ein Innenkissen damit füllen. Mit 5 Tropfen Lavendelöl beträufeln. Nun mit einem Außenkissen beziehen und auf das Kopfkissen legen. Durch den Druck des Kopfes und natürlich auch die Wärme setzen sich dann die ätherischen Öle frei, was dann zu einem wohligen Schlaf führt.

Melissenbowle

10 Stängel Melissenblätter, 500 g reifes Melonenfleisch, ¾ l leichter Weißwein, 1 Limette, 1 Flasche Sekt und eventuell etwas Zucker. Das Melonenfleisch würfeln, in ein Bowlengefäß geben und mit dem Saft der Limette und dem Weißwein übergießen. Melissenblätter kalt abwaschen, fein schneiden und hinzufügen. Eventuell mit etwas Zucker abschmecken und den Ansatz etwa eine Stunde ziehen lassen. Vor dem Servieren mit dem gekühlten Sekt übergießen und mit zerstoßenem Eis und einem kleinen Melissenzweig servieren. Wahlweise kann man den Wein bzw. Sekt durch Apfelsaft oder Mineralwasser ersetzen.

Lavendeltee

2 TL frische Lavendelblüten pro Tasse mit Wasser aufgießen und 5 min ziehen lassen, danach abseihen.

Stresslösendes Lavendelbad

Etwa 60 Blüten mit 1 l siedendem Wasser übergießen, nach 10 min absieben und den Sud zum Badewasser geben. Tipp: Besonders bei Schlafstörungen eignet sich ein Vollbad vor dem Zubettgehen. Kneipp empfahl es allerdings nur einmal wöchentlich, da es für den Kreislauf belastend sei. Es sollte nicht länger als 15–20 min dauern und auch 38 °C nicht überschreiten. Damit sich die Gefäße nach dem warmen Bad wieder schließen, am Ende kalt abduschen. Wichtig: Lavendelöl kann schläfrig machen und verlängert in Reaktionstests die Entscheidungszeit.