Maria Luise „Malu“ Dreyer: den eigenen Weg finden
„Ich schöpfe viel Kraft aus meinem Amt als Ministerpräsidentin, weil ich etwas für die Menschen bewirken kann.“
Antworten von Malu Dreyer
Frau Dreyer, als Ministerpräsidentin von Rheinland-Pfalz haben Sie einen vollen Terminkalender. Wie sieht ein typischer Arbeitstag für Sie aus?
Der Tag beginnt meist mit einem kurzen Austausch mit meinen engsten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Ich führe viele Gespräche mit Menschen auf den unterschiedlichsten Ebenen, wie zum Beispiel Botschafter, Vertreterinnen und Vertreter von Verbänden, Initiativen, Kirchen und Religionsgemeinschaften oder Betriebsräten. Außerdem bin ich viel im Land und darüber hinaus beispielsweise in Berlin unterwegs. Als amtierende Bundesratspräsidentin repräsentiere ich das Land auf Auslandsreisen, wie beispielsweise kürzlich in Argentinien und Uruguay. Ich besuche Firmen, halte Vorträge und Grußworte bei Veranstaltungen. Dann gibt es eine ganze Reihe regelmäßiger Termine, wie Sitzungen des Ministerrats, des Landtages oder die Bundesratssitzungen in Berlin. Zwischendurch führe ich Telefonate, hausinterne Gespräche oder bearbeite meine Post.
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Wie ich mit Musik, Gesang und Freundschaft der Krankheit trotze
Oder die Geschichte vom traurigen Schneemann und einem fröhlichen Vogel
Von Birgit Bernhard, Blickpunkt-Ausgabe 4/2017
Da stand ich nun im Jahr 2005 mit 33 Jahren. MS seit 13 Jahren, seit vier Jahren berentet nach vielen anstrengenden Jahren. Mutlos, kraftlos, traurig und enttäuscht vom Leben. Ich erinnere mich noch genau an den Tag im Mai, an dem meine sieben Jahre jüngere Cousine heiratete und nach der Hochzeit ins Ausland gehen würde. Auf die ein Leben wartete. Ich dachte bei mir: „Für sie fängt das Leben gerade an – und meines ist schon vorbei.“ Es war nicht so, dass ich es ihr und ihrem Mann nicht gegönnt hätte, ich freute mich für sie. Es war mehr so eine lakonische Feststellung. Ich war wirklich überzeugt davon, dass das Leben mir nichts, und zwar absolut nichts mehr zu bieten hatte.
Ein Rückblick: der Weg zum Tiefpunkt
Mein Start ins Berufsleben war sehr holprig gewesen. Nach schweren Zeiten in meiner Jugend mit vielen Belastungen war ich endlich einmal glücklich, als ich 1992 das duale Studium bei der Landwirtschaftlichen Sozialversicherung begann. Mir machte die Arbeit Freude, ich kam mit den Kollegen gut klar und das Studium in Kassel tat mir gut, um endlich auf eigenen Füßen zu stehen. Auch war ich damals schon mit meinem Mann Robert zusammen. Diese glückliche Zeit dauerte genau sechs Monate, dann krachte die MS in mein Leben. Seltsame Symptome, unklare Diagnose, immer wieder wochenlang krankgeschrieben, Zwischenprüfung und Abschlussprüfung krankheitsbedingt verpasst und nachgeschrieben, aber zum Glück den Abschluss zur Diplom-Verwaltungswirtin geschafft. Dann endlich im Beruf angefangen. Immer wieder Schübe, Fehlzeiten, totale Erschöpfung und Verzweiflung. Erst aus heutiger Sicht, 25 Jahre später, habe ich richtig Mitgefühl mit mir, das ich auch immer wieder habe, wenn ich Neuerkrankte treffe. Wie schlimm ist es, wenn einen die MS in so jungen Jahren völlig aus der Bahn wirft.
Zum Glück hatte ich immer schon meinen lieben Mann Robert an der Seite, den ich 1995 geheiratet habe. Auch die kirchliche Hochzeit mussten wir wegen eines schweren Schubes verschieben. Damals hatte ich das Gefühl, ich würde mein ganzes Leben immer wieder verschieben.
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Der Überlebenskünstler
Menschen mit MS: Ein Portrait von Siegfried „Siggi“ Huhn, Gründungsmitglied der MSK e. V.
- Blickpunkt-Ausgabe 03/2016
„Eigentlich mag ich nicht ständig über meine Krankheit reden – wozu auch?“, aber für den Blickpunkt macht das MSK-Gründungsmitglied eine Ausnahme. In der Wohnung läuft aktuelle Radiomusik im Hintergrund, die Sonne scheint durch das Fenster mit Blick auf die Odenwälder Berge und das Telefon klingelt in regelmäßigen Abständen. Seit mittlerweile 20 Jahren lebt hier im betreuten Wohnen Siegfried Huhn, dem kein Schicksalsschlag den verschmitzten Blick mit dem freundlichen Lächeln austreiben konnte.
Kinderlähmung, Skoliose und Starkstromschlag
Geboren 1947 in Heidelberg-Wieblingen, erkrankt er während seines ersten Schuljahres an Poliomyelitis – Kinderlähmung. Die Schluckimpfung war noch nicht flächendeckend eingeführt, für viele war eine Impfung zu teuer. Die rechte Seite des Jungen ist gelähmt, er kann nicht laufen, nicht einmal mehr selbstständig stehen. Nach Abklingen der Entzündung muss er alles in einer orthopädischen Klinik neu lernen. Er schafft es, wieder zu gehen, aber als Folge der Erkrankung bleibt er schief. Im Laufe der Jugendzeit entsteht dadurch eine schwere Skoliose. Im Alter von 16 Jahren wird ihm als einem der Ersten in dieser Gegend, bei denen diese Operation durchgeführt wird, das Rückgrat versteift. Die Bandscheiben entfernt, die Wirbelsäule möglichst gerade ausgerichtet und ein Gips angelegt. Trotz Gips spielt er Fußball. Ganz gerade wächst der junge Mann nicht zusammen, aber er verträgt die Prozedur wesentlich besser als andere, die zur selben Zeit operiert wurden.
Gesundheit ist ein Menschenrecht
Menschen mit MS. Kathrin Vogler, gesundheitspolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE im Bundestag
Blickpunkt-Ausgabe 02/2016
Birgitta Hohenester-Pongratz: Frau Vogler, als gesundheitspolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE haben Sie unterschiedlichste Aufgaben zu bewältigen und viele Termine wahrzunehmen. Schildern Sie doch einmal kurz einen typischen Arbeitstag.
So ein Tag geht meistens von acht bis 21 Uhr, manchmal auch länger. Wir haben einen sehr dichten Terminkalender, morgens Ausschuss- oder Arbeitskreissitzung, dann Gesprächstermine, Teambesprechung, Besuchergruppen etc., an den Plenartagen kommen die Sitzungen des Bundestages dazu, und abends häufig inhaltliche Veranstaltungen. Zwischendurch versuche ich auch Post zu beantworten, Anträge oder Kleine Anfragen durchzusehen oder Artikel zu schreiben.
Sie sind wie unsere Leserinnen und Leser von Multiple Sklerose betroffen. Wann sind Sie erkrankt, wie haben Sie Ihre MS bemerkt und wie hat dieser biografische Einschnitt Ihr Leben sowie das Ihrer Familie verändert?
Ich hatte schon als Jugendliche häufig Sehnerventzündungen, die ich aber für Kreislaufprobleme gehalten habe. Dann hatte ich 1997 einen schweren Schub bis zur Lähmung des rechten Arms. Damals wurde dann auch die Diagnose gestellt. Glücklicherweise haben sich die Einschränkungen in etwa fünf Jahren komplett zurückgebildet. Ich habe nur wenigen Menschen in meinem Umfeld von meiner MS erzählt. Sie war ja nicht sichtbar und hat mich kaum beeinträchtigt.
Powerfrau mit Teamspirit
Menschen mit MS. Nathalie Beßler, Leiterin der Trierer Informationsstelle Multiple Sklerose (TIMS)
Blickpunkt-Ausgabe 02/2015
Welt MS-Tag 2015. Nathalie Beßler hat zusammen mit ein paar Mitgliedern der TIMS einen Infostand auf dem Trierer Kornmarkt aufgebaut. Bescheid wissen über MS! TIMS – die Trierer Initiative Multiple Sklerose nutzt den 27. Mai, um über die Krankheit aufzuklären, und das heißt für TIMS konkret, falsche Mythen zu entlarven und mit der Angstmacherei aufzuräumen. Nathalie Beßler zeigt dabei Gesicht: Auf ihrem T-Shirt steht „Ich habe MS!“, sie kleidet sich modisch und zwischendurch raucht sie auch mal eine Zigarette. Sie ist selbst betroffen – und sie ist jung, selbstbewusst und mutig. „Ich bin guter Dinge!“ ist ihre Botschaft. Damit überzeugt sie die Neugierigen am Infostand.
Nathalie Beßler hat ihre Erkrankung zum Beruf gemacht. Sie hat in den letzten Jahren die Vorgängereinrichtung TAG und die TIMS aufgebaut; für die nächsten Jahre ist sie mit einer halben Stelle dort beschäftigt. Die 33-Jährige, die in Kassel und Fulda aufgewachsen ist und an der Trierer Universität Politikwissenschaften, Soziologie und Anglistik erfolgreich abgeschlossen hat, ist der Stadt an der Mosel treu geblieben. Sie arbeitet Vollzeit: Mit einer weiteren halben Stelle engagiert sie sich in der Zentralen Studienberatung der Uni, klärt über Studienwechsel auf, organisiert Veranstaltungen und geht an Schulen, um künftige Absolventen über Studiengänge zu informieren.
Wieder gut zu Fuß!
Menschen mit MS: Ein Portrait von Peter Wiese, Mitglied des MSK-Vorstands
Blickpunkt-Ausgabe 04/2015
Peter Wiese backt sein Brot und seine Weihnachtsplätzchen selbst. Er experimentiert mit Buchweizen, Linsenmehl und Kokosfett. Kreative Küche jederzeit: Nichts Selbstgemachtes wiederholt sich, da er sich die Zusammenstellung der Zutaten nicht notiert. „Da kann es schon einmal vorkommen, dass sich das Brot in Brösel auflöst. Was soll‘s, Brösel kann man beispielsweise mit Ziegenfrischkäse zusammenkleben!“ schmunzelt er. Seine Frau kostet die neuen Eigenkreationen – und meistens isst sie mit, weil sie ihr schmecken. Seit seiner Ernährungsumstellung nach den Maßgaben der Hebener-Diät vor etwa acht Jahren hat sich Peter Wieses Wohlbefinden ungemein verbessert. Der heute 66-jährige Elektrotechniker im Ruhestand ist trotz MS wohlauf – und das führt er auch auf seine konsequent linolsäurearme Ernährung zurück, die zudem auf hochdosierte Gaben unter anderem von Vitamin B und E, Selen und Fischöl setzt. Zu Zeiten der MS-Diagnose im Jahr 2006 und in der Zeit danach war das nicht so: Große Schwierigkeiten beim Laufen und Sehprobleme machten ihm zu schaffen.
Erste Krankheitssymptome beim Wandern
Der passionierte Wanderer, der schon viele Touren in den Alpen und in unterschiedlichen Gebieten Deutschlands gemacht hat, bemerkte erste Anzeichen der MS bei einer 20 Kilometer langen Wanderung am Erbeskopf im Hunsrück: „Ich konnte meinen rechten Fuß nicht mehr richtig heben, musste ihn nachziehen.“ Der behandelnde Orthopäde schickte ihn zum Physiotherapeuten, der eine Borreliose in Betracht zog und ihm deshalb einen Besuch beim Neurologen empfahl: „Blutuntersuchungen und ein MRT, das Entzündungen im Rückenmark zutage brachte, zeigten keine Borreliose, manifestierten aber die Diagnose MS“, erklärt Peter Wiese. Vor diesem Hintergrund erinnerte er sich daran, dass er vermutlich schon früher MS-Schübe erlitten hatte, aber die Symptome nicht als solche gedeutet worden waren: So 1998, als er beim Duschen unterschiedliche Wärmeempfindungen der beiden Körperhälften wahrnahm, und auch im Jahr 2003 während einer Radtour im Spreewald, als er Probleme mit der Halswirbelsäule bekam.
Auftauchen in einer anderen Welt
Menschen mit MS. Ein Portrait von Sandra Meixner
Blickpunkt-Ausgabe 04/2013
Beim Stichwort „Tauchen" glänzen Sandra Meixners Augen. „Tauchen war mir wichtiger als alles andere auf der Welt", sagt sie. „Selbst mit Neoprenanzug und Sauerstoffflasche: Diese Leichtigkeit unter Wasser, dieses Gefühl von Freiheit – einfach großartig!" Sandra Meixner schöpft viel Kraft aus ihren Erinnerungen. Durch die Multiple Sklerose kann sie zwar ihr geliebtes Hobby inzwischen nicht mehr ausüben, aber die wunderbaren Unterwasser-Erlebnisse hütet sie wie einen Schatz. Menschen mit MS – zukünftig möchten wir im Blickpunkt Betroffene vorstellen, Menschen wie du und ich, auch auf ausdrücklichen Wunsch der Leserschaft. Wie gehen andere mit ihrer Erkrankung um, mit welchen Hindernissen kämpfen sie, welche ungeahnten Chancen haben sich seit der Diagnose eröffnet?
Sandra Meixner, die im November 40 Jahre alt wurde, hat seit Ende 2000 Multiple Sklerose. Sie ist seit etwa zehn Jahren MSK-Mitglied; ihr Mann Bernd engagiert sich aktiv im Vorstand des Vereins. Die beiden leben in Walldorf in der Nähe von Heidelberg. Als sie damals zunehmend schlechter sehen konnte, suchte die Industriekauffrau einen Neurologen auf. Der Experte erkannte dieses Symptom zwar nicht auf Anhieb als beginnende MS, aber die anschließende MRT-Untersuchung brachte traurige Gewissheit.
„Oh Gott, kann ich dann niemals wieder tauchen?" Im Alter von etwa 20 Jahren hatte Sandra Meixner mit diesem Sport angefangen – und nichts erschien ihr schlimmer, als ihn nicht mehr ausüben zu können.
Mein Leben mit MS
Menschen mit MS. Im Portrait: Richard Grabinski
Blickpunkt-Ausgabe 03/2012
Es war Sonntag, der 15. August 1965, meine Frau und ich besuchten an diesem Wochenende ihre Eltern bzw. meine Schwiegereltern (wir waren gerade vier Monate verheiratet). Wir hatten ein schönes Wochenende zusammen verbracht. Am nächsten Morgen gegen 05.0O Uhr war ich auf dem Weg von der Toilette zum Bett und hatte plötzlich kein Gleichgewichtsempfinden mehr, musste mich an der Wand abstützen und konnte kaum noch gehen. Als ich dann im Bett lag, drehte sich alles um mich herum, meine Augen konnte ich nicht mehr auf einen Punkt fixieren und ich sah alles doppelt. Vom Kopf bis zu den Füßen kribbelte mein Körper.
Vom Ausbruch der Krankheit zur Diagnose
Wir waren erschrocken und ratlos. Mein Arbeitgeber wurde verständigt und später auch unser Hausarzt, ein sogenannter praktischer Arzt. Er konnte sich keinen Reim auf meine Symptome machen und meinte, es könnte der Kreislauf sein, ich wäre ja noch sehr jung - ich war 22 - und die Symptome würden sicherlich bald verschwinden. Er verschrieb mir ein entsprechendes Medikament und ging. Weil es nicht besser wurde, schlug der Arzt vor, einen Nervenarzt (Neurologe war damals noch nicht so gängig) hinzuzuziehen.