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Initiative Selbsthilfe Multiple Sklerose Kranker e. V.

Feldenkrais bei Multipler Sklerose: Bewusstheit durch Bewegung - Roger Russell vom Feldenkrais-Zentrum Heidelberg im Gespräch

Christine Hausmann, Blickpunkt-Ausgabe 01/2019

Benannt nach ihrem Begründer Moshé Feldenkrais, handelt es sich bei Feldenkrais um eine pädagogische Methode, die die Handlungsfähigkeit des Menschen und die Wertschätzung seiner Persönlichkeit in den Mittelpunkt rückt, und über Berührung und Bewegung das lebenslange „Lernen am eigenen Leib“ bewusst erfahrbar macht. Die achtsame Wahrnehmung von Bewegungsmustern und deren Steuerung fördert die Koordination nachhaltig und ermöglicht leichtere und als angenehmer empfundene Bewegungsabläufe, die gerade auch für Schmerzpatienten hoch wirksam sein können. Roger Russell vom Feldenkrais-Zentrum in Heidelberg wurde von Moshé Feldenkrais ausgebildet und erläutert die Grundzüge, wichtige Unterschiede zu anderen bewegungsorientierten Ansätzen sowie das Potenzial der Methode für MS-Betroffene.

Moshé Feldenkrais und seine Methode

Immer daran interessiert, Erkenntnisse aus so unterschiedlichen Gebieten wie der Physik, der Neurophysiologie und -psychologie oder der Kampfkunst vorurteilsfrei und systematisch zu hinterfragen und praktisch anzuwenden, entwickelte der israelische Ingenieur und Judolehrer Dr. Moshé Feldenkrais (1904–1984) die Idee, dass Menschen durch Vererbung, Erziehung und Selbsterziehung bestimmten Handlungsmustern und Bewegungserfahrungen folgen, die ihrem Selbstbild in ihrer Lebenswelt entsprechen. Aus individuellen Beobachtungen und Erfahrungen schloss er, dass durch einen Bewusstwerdungsprozess über Bewegungsabfolgen alternative Bewegungs-, Denk- und Handlungsmöglichkeiten gefunden und individuell genutzt werden können. Auf der Basis der Betrachtung von evolutionsgeschichtlichen Entwicklungsprozessen, der menschlichen Anatomie, der Funktionsweise des Nervensystems und des Verständnisses der Entwicklung von Wahrnehmungs- und Lernprozessen zu dieser Zeit erkannte Feldenkrais, dass diese Alternativen zu jedem Zeitpunkt und in jedem Lebensalter, mit jedem individuellen Lebensverlauf zur Verfügung stehen, wenn Wahlmöglichkeiten aufgezeigt oder erfahren werden – und schuf damit einen einzigartigen Zugang zu menschlicher Lernfähigkeit. Körper und Geist waren für Feldenkrais dabei untrennbar miteinander verbunden; Denken, Fühlen und Handeln bildeten für ihn eine Einheit.

Der Lehrer als Inspiration

Selbst zu Feldenkrais gekommen ist der 1951 in Denver, Colorado geborene Roger Russell durch Zufall, als er 1973 im Esalen-Institut, einem Zentrum für humanistisch ausgerichtete interdisziplinäre Studien in Big Sur, Kalifornien, etwas über die Arbeit von Moshé Feldenkrais erfuhr und von den neuartigen Ideen dahinter sofort fasziniert war. Im Frühjahr 1975 wandte er sich an Feldenkrais, der in Israel bereits sehr berühmt war, in den USA zu diesem Zeitpunkt aber noch eher als Exot galt, und der ihm anbot, zwischen 1975 und 1982 zwei seiner Ausbildungslehrgänge zu besuchen. Inspiriert durch diese intensive Zusammenarbeit ist Roger Russell seit 1977 als selbstständiger Feldenkrais-Lehrer in den USA und in Deutschland tätig und bildet seit 1994 auch andere aus. Nach einer zusätzlichen Ausbildung als Physiotherapeut und einem Studium der Bewegungswissenschaft/Bewegungserziehung leitet er, zusammen mit Ulla Schläfke, seit 1994 das Feldenkrais-Zentrum in Heidelberg, das sich heute überwiegend auf die Aus-und Weiterbildung von Feldenkrais-Lehrern und -Therapeuten konzentriert.
Über seinen Lehrer sagt er: „Er war eine beeindruckende Figur, ein sehr leidenschaftliches Energiebündel – ein hochgebildeter, genialer Straßenkämpfer. Ethisches Handeln war ihm sehr wichtig, aber er war auch nicht gerade zimperlich“, und beschreibt die Arbeit mit ihm als nachhaltig prägend: „Diese Demonstrationen waren wirklich wie eine Art Offenbarung dessen, was möglich ist; etwas, das ich mir so nicht vorgestellt hatte. Leute mit echten Behinderungen und Verletzungen kamen herein und gingen verändert hinaus, auf eine Art und Weise, die ich schlicht nicht erfassen konnte. Ich hatte gelernt, was geht und was nicht, und er hat ständig Leute dorthin gebracht, wo ich dachte, das sei unmöglich. Ich hatte das nicht hinterfragt, nicht bewusst, es war einfach so – wenn jemand behindert ist, dann ist er behindert. Und Moshés Frage war: ‚Sind Sie sicher? Was macht Sie so sicher, dass das eine Behinderung ist? Es ist vielleicht nur eine Gewohnheit.‘ ‚Was für eine Gewohnheit?‘ ‚Das ist etwas, was man lernt.‘“

Feldenkrais in der Praxis

Mithilfe von Achtsamkeit, Geduld und Ruhe den eigenen Körper besser wahrzunehmen, seine individuellen Bewegungs-, Denk-, Fühl- und Verhaltensmöglichkeiten zu erweitern und dadurch Einschränkungen zu minimieren, steht bei dieser Methode im Vordergrund. Dazu werden aus einem System von über 600 von Moshé Feldenkrais entwickelten Lektionen ausgewählte langsame, aber auch schnelle Bewegungsabfolgen erprobt. „Die Idee ist es“, so Roger Russell, „einen unterrichtspsychologischen Raum zu schaffen, in dem man zu einer Aufgabe selbst eine Antwort in sich finden muss. Der Prozess des Experimentierens, sich frei zu fühlen, für sich zu suchen und nicht etwa ein Vorbild zu imitieren, steht hier im Mittelpunkt. Nur die Struktur, die Experimente werden vorgegeben. Und dass das so klar funktioniert, hat mich von Anfang an verblüfft.“ Der Unterricht dauert in etwa zwischen einer und eineinhalb Stunden und behandelt konkrete Themen, die stets nur einmal umgesetzt werden, sodass die Erfahrung immer neu ist und kein mechanisches Üben zur Folge hat. Die Methode kann in Gruppenlektionen („Bewusstheit durch Bewegung“ genannt) und/oder in Einzellektionen („Funktionale Integration“ genannt) in enger Zusammenarbeit mit einem Lehrer/Therapeuten angewandt werden.

Gruppenlektionen – Bewusstheit durch Bewegung

In Gruppen von unterschiedlicher Größe werden Bewegungsabfolgen (zum Beispiel im Bereich der Wirbelsäule, der Augen oder der Atmung) verbal durch den Lehrer/Therapeuten angeleitet. In allen vorstellbaren Positionen (etwa im Liegen, Sitzen oder Stehen) experimentieren Teilnehmende mit den Möglichkeiten, Bewegungsabläufe unterschiedlich auszuführen. Mithilfe von Wahrnehmungsfragen werden sie zu einem Hinspüren zu den Bewegungsvarianten ermutigt, die sie als angenehmer empfinden und die für sie einen Unterschied ausmachen. Bewusstheit bezieht sich in diesem Zusammenhang auf die Fähigkeit zur Selbstreflexion im Hier und Jetzt – die Aufmerksamkeit auf den Körper soll dabei ununterbrochen wachgehalten werden.

Einzellektionen – Funktionale Integration

In den Einzellektionen wird, abgesehen von einem Vorgespräch, nonverbal gearbeitet. Bewegungsmuster werden meist im Liegen erspürt und leichtere Bewegungsmöglichkeiten durch die Berührungen des Lehrers/Therapeuten ausgeführt. In dieser Unterrichtsform kann gezielt auf individuelle Bedürfnisse und Problemlagen eingegangen werden; der Lehrer/Therapeut sollte dabei für eine Situation sorgen, die ein Lernen so angenehm wie möglich macht, die Person sich also dabei wirklich sicher fühlt. Funktion bezieht sich hierbei auf die Fähigkeit, eine Tätigkeit zufriedenstellend ausführen zu können, integriert werden die neuen Erkenntnisse so, dass sie jederzeit im Alltag umgesetzt werden können.

Die Person im Mittelpunkt

Sowohl in den Gruppen- als auch in den Einzellektionen ist das Wer und Wie entscheidend. Die Person steht dabei stets im Mittelpunkt: „Die Person ist hier das Subjekt und kein ‚es‘“, so erläutert es Roger Russell. „Durch das, was Sie spüren, machen Sie den Unterschied aus. In vielen Übungssystemen, die der Kräftigung und der Verbesserung der Koordination dienen sollen, wird die Koordination dagegen zu einem ‚es‘, und Sie sind in diesem System zu einem Objekt geworden. Ihr Gehirn ist ein Objekt, das irgendwie anders funktionieren sollte und man muss dem computerobjektartigen Etwas beibringen, sich richtig zu steuern.“

Der Lehrer/Therapeut als Partner

Bei der Feldenkrais-Methode lässt sich der Lehrer/Therapeut, als eine Art Wegweiser, ganz auf die betroffene Person ein, es entsteht ein Dialog. Die Erfahrung der betroffenen Person mit sich und der Welt bleibt aber der Schlüssel zur Bewusstwerdung über alternative Bewegungsabläufe. Es ist die Freiheit, „zu wählen, sodass jede Person das Beste macht, was sie kann, aus dem, was sie bereits kennt. Meine Aufgabe ist es also nicht, jemandem nach meiner Vorstellung eine ‚korrekte‘ Art der Bewegung beizubringen, von der ich denke, dass sie besser für die Person wäre.“

Ein ergebnisoffenes Übungssystem

Demzufolge ist Feldenkrais kein geschlossenes Übungssystem und das ergebnisoffene Hinspüren ist eine Grundlage jeder Lektion. Roger Russell beschreibt es folgendermaßen: „Es ist offen, das heißt, ich lade Sie ein, zu spüren, und was auch immer Sie spüren, ist, was Sie spüren können. Ich kann lediglich fragen, ob Sie einen Unterschied spüren und dann können wir mit diesem Unterschied arbeiten. Sie finden heraus, was daran besser für Sie ist, in Ihrem Erleben, denn das ist die Rückmeldung, die Ihr Gehirn nutzt, um Ihre Koordination zu steuern.“ So ein Ansatz hat vor allem den Vorteil, dass man flexibel auf die individuelle Situation der Betroffenen eingehen kann. „Wenn ich merke, etwas geht nicht, habe ich aus 600 plus Übungen immer eine andere Wahlmöglichkeit. Oder wir machen nur einen Teil davon oder wir finden heraus, was eigentlich los ist, das braucht unsere Aufmerksamkeit, von Person zu Person.“
Ein ergebnisoffenes, flexibles Vorgehen birgt aber auch Herausforderungen, denn es gibt keine therapeutische Sicherheit, was sich auf das Kompetenzempfinden des Lehrers/Therapeuten auswirken kann und dessen Wachheit, Respekt und Geduld, auch mit sich und den eigenen Grenzen, immer wieder aufs Neue fordert.

Feldenkrais und Multiple Sklerose

Hintergrund

Seit dem Jahr 2000 bietet Roger Russell in seinem Feldenkrais-Zentrum auch Fortbildungsreihen zum Thema Multiple Sklerose an. Mit dem Thema beschäftigt er sich allerdings schon seit 1985, als er durch Zufall einem Mitglied des nationalen ärztlichen Beirats der Deutschen Multiple Sklerose Gesellschaft (DMSG) e. V. begegnet und mit ihm über die Möglichkeiten von Feldenkrais bei Multipler Sklerose ins Gespräch gekommen war. Anfragen aus ganz Deutschland und eine bis zum vergangenen Jahr andauernde, 32-jährige regelmäßige Arbeit mit AMSEL e. V.-Gruppen waren die Folge. Aus dieser Zusammenarbeit ist auch die 1993 veröffentlichte Feldstudie zur Wirksamkeit der Feldenkrais-Methode bei MS-Betroffenen des DMSG Landeverband Saar e. V. entstanden.

Die Entdeckung der Langsamkeit und Vermeidung von Anstrengung

Feldenkrais-Lektionen für MS-Betroffene werden um einiges langsamer ausgeführt als normale Lektionen. „Diese Gruppen“, so erzählt Roger Russell, „haben mir beigebracht, Lösungen zu finden, an die ich zuerst nicht gedacht hatte. Sie haben mir beigebracht, viel langsamer zu arbeiten als eine normale Feldenkrais-Lektion.“ Die Themenbereiche Gleichgewicht, die Koordination der Atmung und das sichere Gehen sind hierbei zentral und basieren auf evolutionsgeschichtlichen Erkenntnissen über die Verbindung zwischen Atmung, Gleichgewicht und Fortbewegung.
Viele Betroffene kommen zu diesen Kursen, nachdem andere, bewegungsorientierte Systeme für sie keine Verbesserung gebracht haben. Roger Russell bringt das auch mit einer gängigen Übungsmentalität in Verbindung, die oftmals mit Anstrengung arbeitet. „Man konsultiert Experten, die gelernt haben, dass Koordination, wie Kraft und Ausdauer, über Anstrengung funktioniert. Und so übt man mit der Überzeugung, wenn es nicht funktioniert, hat man nicht gut genug geübt.“ Das Gegenteil aber ist der Fall: Die so hilfreiche Rückmeldung des Körpers, wie sie bei langsamen, ruhigen Bewegungsabfolgen und dem aufmerksamen Hinspüren auf einschränkende Gewohnheiten am besten zutage tritt, geht durch Anstrengung und Antrieb verloren. „Weniger ist hier allerdings mehr“, so Russell, „und Feldenkrais-Lektionen sind so gestaltet, dass man probiert, einfache Bewegungen zu koordinieren, und auf Unterschiede achtet, die kleiner sind als das, was wir normalerweise glauben, spüren zu können. Und man merkt, ich spüre irgendetwas anderes, wenn ich das mache.“

Aufmerksamkeit und Geduld

Oftmals gilt auch, so hat Roger Russell die Erfahrung gemacht, dass Schmerzen Botschaften sind, die zeigen, dass der Koordinationsprozess im Körper nicht optimal verläuft und das auch nicht unbedingt an dem Ort, an dem der Schmerz auftaucht. Und so kann es sein, dass die Art, wie man den Kopf aufrichtet (oder wie man die Augen bewegt oder wie man atmet), den Steifheitsgrad der Beine beeinflusst und man an den Beinen arbeitet, wenn man eventuell dem Kopf, den Augen oder der Atmung mehr Aufmerksamkeit widmen sollte. Diese Prozesse aufzuspüren erfordert eine bewusste Wahrnehmung (denn sie finden unbewusst statt oder werden, wenn sie unangenehm sind, in den Hintergrund gedrängt) und ein Umdenken, sodass das Gehirn ihm vertraute Bewegungsmuster nicht weiter ausführt, sondern tatsächlich neue Wege geht. So erläutert Russell: „Ein Teil der Aufmerksamkeit macht also aus, mit mir selbst Geduld zu haben und das, was ich spüre, was da ist, schlicht und einfach wertungsfrei anzunehmen und damit zu arbeiten. Das zu erkennen ist ein Riesenschritt. Die Beine sind steif, ja, wir können es mögen oder nicht, aber unsere Meinung macht keinen Unterschied. Wenn ich das aber annehme, kann ich beginnen, damit zu arbeiten.“
Wenn man diese Übungen gelernt hat, ist man im Grunde frei, für sich weiter zu probieren – allerdings, so gibt Roger Russell zu bedenken, kann es dabei schnell für manche zu einer Überforderung oder einem mechanischen Üben kommen, einfach, weil man nicht daran gewöhnt ist, auf sich selbst zu achten oder weil man einfach schnell zu einem Ergebnis kommen möchte. Eine Möglichkeit für stark mobilitätseingeschränkte Personen, Übungen auch zu Hause (etwa mithilfe eines Lernvideos) durchzuführen, hat Roger Russell bereits angedacht, die Umsetzung gestaltet sich allerdings durch die erwähnten Bedenken komplex und vielschichtig.

Lebenslanges Veränderungspotenzial des Gehirns

Dass das Gehirn jederzeit veränderungs- und lernfähig ist (man nennt das auch Neuroplastizität) und sich auf neue Situationen einstellen kann, ist durch neurowissenschaftliche Studien bewiesen. Denken, Fühlen oder Handeln erzeugt Gewohnheiten, denen das Gehirn folgt. Ein verändertes Denken, Fühlen und Handeln erschließt demnach dem Gehirn neue Wege und Bewegungsalternativen werden möglich, auch aufgrund von großen neurologischen Ressourcen, die neben beschädigten Nervenbahnen nach wie vor zur Verfügung stehen und durch die Lektionen aktiviert werden können.

Die Wahl des Lehrers/Therapeuten

Damit Feldenkrais für MS-Betroffene mit vielfältigen Schwierigkeiten und Einschränkungen wirksam wird, ist die Wahl eines geeigneten Therapeuten unabdinglich. Sympathie, so erklärt Roger Russell, spielt hier ebenso eine Rolle wie ein geeignetes Fachwissen, ein medizinischer oder krankengymnastischer Hintergrund mit entsprechend gemachten Erfahrungen im Gesundheitsbereich und mit MS-Betroffenen, um Lektionen auf diese Besonderheiten abstimmen zu können. Geeignete Therapeuten müssen sich ihrer Sache sicher sein und auch bei auftretenden Schwierigkeiten Ruhe und Neugier bewahren, da die Schwierigkeit auch immer einen Hinweis auf eine mögliche Lösung gibt, die nur mit Geduld gefunden werden kann. Die therapeutische Absicht sollte dabei von der Idee getragen sein, nicht nur erhaltend zu therapieren, sondern Wahrnehmung und Koordinationsfähigkeit weiterzuentwickeln – eine Absicht, die nicht für jeden Therapeuten selbstverständlich ist, so Russell.
Zum Kennenlernen der Methode eignet sich durchaus zunächst der Besuch einer Gruppenlektion/eines Gruppenkurses (wie etwa in der örtlichen Volkshochschule angeboten wird), bei großen Einschränkungen und/oder auf der Suche nach einer langsameren oder ruhigeren, maßgeschneiderten Lösung sind Einzellektionen allerdings sinnvoller. In keinem Fall sollte man aber ein Gefühl der Überforderung aushalten – wenn es also nicht guttut, sollte man den Therapeuten wechseln.

Kostenübernahme

Feldenkrais ist in erster Linie eine Lernmethode und kein anerkanntes Heilverfahren, obwohl die Methode durch die spürbare Verbesserung der Lebensqualität gezielt etwa bei chronischen Schmerzen, Nervenleiden, nach Unfällen oder bei körperlichen Behinderungen auch von Ärzten empfohlen wird. Feldenkrais wird demnach nur unter Auflagen von bestimmten gesetzlichen Krankenkassen bezuschusst oder ganz übernommen (siehe auch https://www.krankenkassen.de/gesetzliche-krankenkassen/leistungen-gesetzliche-krankenkassen/alternative-heilmethoden/feldenkrais/). Die Kosten liegen ansonsten bei etwa 60–120 Euro pro Einzelstunde, etwa 15–25 Euro pro Gruppenstunde; örtliche VHS-Gruppenangebote liegen deutlich darunter.

Was Feldenkrais für Betroffene leisten kann

„Manches wird möglich“, so Roger Russell, „das Sie kaum gesucht und nicht erwartet haben. Wann und wie das passiert, wird uns beide überraschen, denn Sie sind einzigartig. Es kann in der dritten Lektion sein oder in der 30., aber dass es hilft, da bin ich 100 Prozent sicher. Die Vorgehensweise jedoch – Sie können nicht angestrengt, in Eile üben und dann sagen, diese Übungen haben mir nicht geholfen. Man lernt, wirklich auf sich zu achten, und das ist nicht einfach, besonders in dieser für Sie unsicheren Situation. Einige meiner Ausbildungsteilnehmer, die selbst MS haben, sagen mir, dass eine wichtigeWirkung in dem Wissen besteht, dass sie persönlich eine Wahl haben, wie sie sich helfen können. Ich habe dadurch eine große Unabhängigkeit gewonnen, dass ich mir helfen kann und weiß, wie ich vorgehen muss. Das ist so ein Zwischengeschenk – die Empfindung der Autonomie kommt mit dem Wissen, dass ich für mich sorgen kann und nicht abhängig von Therapieangeboten bin. Und es gibt in mir eigentlich die Möglichkeit, mir zu helfen.“ Es braucht allerdings Zeit und Geduld, denn, so erläutert Roger Russell eindrucksvoll, „man kommt schneller zum Ziel, wenn man langsam anfängt. Es ist eine langfristige Angelegenheit, nicht 10 oder 20 Stunden und die Probleme sind gelöst. Das ist auch in meinem Beruf und in meinen Beziehungen nicht anders. Die Medizin verspricht uns Lösungen für alle möglichen menschlichen Schicksale – wenn man nur die richtigen Medikamente nimmt oder die richtige Übungsabfolge absolviert, ist das Problem gelöst. Und wenn das nicht funktioniert, ist nicht die Therapie das Problem, sondern der Konsument hat sich nicht richtig verhalten, anstatt zu sagen: Wir sitzen im selben Boot und müssen navigieren. Es gibt Wellen, Stürme, Nord und Süd und der Kompass heißt Geduld, Neugier und Ausprobieren, das ist die Landkarte. Und was Moshé Feldenkrais geschaffen hat, ist, dass er alle möglichen Wege, die man nehmen könnte, durch Hunderte von Lektionen markiert hat, aber wenn man dort hinfahren will, muss man den Weg selbst nehmen und die richtige Geschwindigkeit einhalten. Wenn man das macht, entdeckt man ungeahnte Entwicklungsmöglichkeiten in sich und das ist es, was man braucht, nicht die Übungen, keine Konsumentenhaltung oder Nehmermentalität. Ich kenne keinen anderen Weg.“

Kontakt

Feldenkrais-Zentrum Heidelberg
Ulla Schläfke & Roger Russell
Bergheimer Straße 31
D-69115 Heidelberg
Telefon: 06221 29461
Telefax: 06221 28965
E-Mail: feldenkraiszentrum-hd@t-online.de
www.feldenkraiszentrum-hd.de

Weiterführende Literatur

  • Bost, H., Burges, S., Russell, R., Rüttinger, H., Schläfke, U. 1993. Feldstudie zur Wirksamkeit der Feldenkrais-Methode bei MS-Betroffenen. Saarbrücken: Deutsche Multiple Sklerose Gesellschaft Landesverband Saar e. V.
  • Feldenkrais, M. 2012. Bewußtheit durch Bewegung: Der aufrechte Gang. 14. Aufl. Frankfurt am Main: Suhrkamp.
  • Hillier, S., Worley, A. 2015. The effectiveness of the feldenkrais method: a systematic review of the evidence. In: Evidence-based Complementary and Alternative Medicine. Band 2015, S.752160, unter www.hindawi.com/journals/ecam/2015/752160/
  • Russell, R. 2003. Dem Schmerz den Rücken kehren. Die kluge Lösung bei Rückenschmerzen. Die Feldenkrais-Methode in der Praxis. Paderborn: Junfermann Verlag.
  • Russell, R. 2004 (Hrsg.). Feldenkrais im Überblick. Über den Lernprozeß der Feldenkrais-Methode. Paderborn: Junfermann Verlag.

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