Skip to main content

Initiative Selbsthilfe Multiple Sklerose Kranker e. V.

Begleitende Hilfe im Arbeitsleben (§ 185 SGB IX)

Red., Blickpunkt-Ausgabe 02/2022

Unter der sogenannten Begleitenden Hilfe im Arbeitsleben (§ 185 SGB IX) versteht man alle Maßnahmen und Leistungen, die erforderlich sind, um die gleichberechtigte Teilhabe schwerbehinderter oder ihnen gleichgestellter Menschen im Arbeitsleben zu sichern, ihre Fähigkeiten voll umzusetzen und Kündigungen zu vermeiden. Sie ergänzen somit die bereits im BP 1/22 vorgestellten Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben (LTA) sowie die Förderungen zur Teilhabe schwerbehinderter Menschen am Arbeitsleben (SchwbAV), die im nächsten Heft vorgestellt werden sollen.

Voraussetzungen

Diese vom Integrationsamt organisierte Begleitende Hilfe richtet sich an Menschen mit einer anerkannten Schwerbehinderung (wenigstens GdB 50) oder anerkannten Gleichstellung (§ 185 SGB IX) und wird auch für befristete oder in Teilzeit Beschäftigte mit mindestens 15 Stunden wöchentlicher Arbeitszeit geleistet. Das gilt unabhängig davon, ob Leistungen der medizinischen und beruflichen Rehabilitation vorausgegangen sind. Die begleitende Hilfe wird in enger Zusammenarbeit mit der Bundesagentur für Arbeit und anderen Rehabilitationsträgern durchgeführt.

Um welche Leistungen geht es?

Die Begleitende Hilfe im Arbeitsleben umfasst neben finanziellen Leistungen an Arbeitgeber*innen und Angestellte sowie fachlicher Beratung auch die notwendige psychosoziale Betreuung schwerbehinderter Menschen. Hierfür beauftragt das Integrationsamt Integrationsfachdienste oder andere psychosoziale Einrichtungen und Organisationen. Das Integrationsamt soll außerdem darauf Einfluss nehmen, dass Schwierigkeiten und Konflikte bei der Beschäftigung verhindert oder beseitigt werden.

Leistungen für schwerbehinderte Menschen

Persönliche Hilfen: Gefördert werden die Beratung und Betreuung in allen Fragen des Arbeitslebens, insbesondere bei persönlichen Schwierigkeiten, bei Arbeitsplatzproblemen, Fragen im Zusammenhang mit der Schwerbehinderung, bei Konflikten mit Mitarbeitenden oder Vorgesetzten, bei Gefährdung des Arbeitsplatzes bis hin zur psychosozialen Betreuung. Diese kann auch durch freie gemeinnützige Einrichtungen und Organisationen als Träger eines Integrationsfachdienstes gewährleistet werden, in diesem Fall erhalten diese die Hilfen.

Finanzielle Leistungen: Gewährt werden technische Arbeitshilfen, Hilfen zum Erreichen des Arbeitsplatzes, Leistungen zur wirtschaftlichen Selbstständigkeit, Wohnungshilfen zur Beschaffung, Ausstattung und Erhaltung einer barrierefreien Wohnung, Leistungen zur Erhaltung der Arbeitskraft, Leistungen zur Teilnahme an Maßnahmen zur Erhaltung und Erweiterung beruflicher Kenntnisse und Fähigkeiten, Hilfen in besonderen Lebenslagen, Unterstützte Beschäftigung sowie eine notwendige Arbeitsassistenz.

Leistungen für Arbeitgeber*innen

Beratung: Gefördert wird die Beratung zur Auswahl und behinderungsgerechten Gestaltung von Arbeitsplätzen für schwerbehinderte Menschen, zu allen Fragen im Zusammenhang mit der Beschäftigung schwerbehinderter Menschen, inklusive psychosozialer Beratung bei besonderen Problemen.

Finanzielle Leistungen: Gewährt werden Leistungen zur Schaffung neuer und behinderungsgerechter Einrichtung und Gestaltung vorhandener Arbeitsplätze für schwerbehinderte Beschäftigte.

Zuschüsse: Gebühren bei der Berufsausbildung besonders betroffener schwerbehinderter Jugendlicher und junger Erwachsener.

Prämien und Zuschüsse zu den Kosten der Berufsausbildung behinderter Jugendlicher und junger Erwachsener, wenn diese für die Zeit der Ausbildung durch eine Stellungnahme der Agentur für Arbeit oder durch einen Bescheid über Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben gleichgestellt sind.

Prämien zur Einführung eines Betrieblichen Eingliederungsmanagements (BEM), das Arbeitnehmer*innen mit längeren Arbeitsunfähigkeitszeiten eine möglichst frühzeitige Rückkehr in ihren Betrieb ermöglichen soll.

Unterstützung des betrieblichen Integrationsteams: Schwerbehindertenvertretung, Inklusionsbeauftragte und Betriebsrat/Personalrat werden mit Bildungs- und Informationsangeboten oder bei der Erarbeitung einer Inklusionsvereinbarung (also den Zielvereinbarungen zur Verbesserung der betrieblichen Beschäftigungssituation) unterstützt.

Ablauf

Die Hilfe beginnt bereits in der Vorphase einer Einstellung und soll schwerbehinderte Menschen im gesamten Arbeitsleben begleiten. Das Integrationsamt steht dabei als Ansprechpartner für die Arbeitnehmer*innen, Arbeitgeber*innen sowie das Integrationsteam zur Verfügung. Dafür hat das Integrationsamt besondere Fachdienste – die Integrationsfachdienste sowie den Technischen Berater – eingerichtet. Die hier tätigen Ingenieur*innen mit solidem Fachwissen im Bereich Ergonomie/den Auswirkungen unterschiedlichster Behinderungen beraten Arbeitgeber*innen, Arbeitnehmer*innen und das betriebliche Integrationsteam bei technischen und organisatorischen Fragen. Ziel ist es, realisierbare Lösungen zu entwickeln, die für alle Beteiligten akzeptabel sind. Die Mittel hierfür entstammen der Ausgleichsabgabe (also die Zahlung, die solche Arbeitgeber*innen entrichten müssen, die nicht die gesetzlich vorgeschriebene Anzahl an schwerbehinderten Menschen beschäftigen).
Denn für Arbeitgeber*innen besteht nach dem SGB IX grundsätzlich die Verpflichtung, schwerbehinderte Menschen behinderungsgerecht einzusetzen und ihre Arbeitsplätze entsprechend zu gestalten. Führt die Umsetzung dieser Verpflichtung zu unzumutbaren Belastungen für die Unternehmen, besteht für sie die Möglichkeit, Leistungen im Rahmen der „Begleitenden Hilfe“ bzw. Leistungen zur Schaffung neuer Arbeits- und Ausbildungsplätze in Anspruch zu nehmen. Die Arbeitgeber*innen haben sich dabei mit einem angemessenen Eigenanteil an der behindertengerechten Umgestaltung oder der Neuschaffung des Arbeits- oder Ausbildungsplatzes zu beteiligen.
Eine etwaige angestrebte Kündigung schwerbehinderter Arbeitnehmer*innen kann entsprechend nur mit der Zustimmung des Integrationsamtes (im Rahmen eines Zustimmungsverfahrens) erfolgen, ansonsten ist sie unwirksam.

Anträge auf finanzielle Hilfen müssen immer vor der Einrichtung, der behinderungsgerechten Umgestaltung des Arbeitsplatzes und vor der Beschaffung der Fördergegenstände gestellt sein. Die Förderung sowie deren Höhe richtet sich nach den Gegebenheiten des Einzelfalls. Anträge sind an den örtlich zuständigen Dienstort des Integrationsamtes zu richten.
Arbeitnehmer*innen benötigen für die Beantragung ihrer Unterstützung spezielle Antragsvordrucke, die an der für den Wohnort zuständigen Stelle (Landesverwaltungsamt/Integrationsamt, oft auch schon online abrufbar) erhältlich sind. Der Bedarf muss hier begründet werden.

Die Bewilligung/Nichtbewilligung finanzieller Leistungen richtet sich immer nach den Umständen des Einzelfalls. Ist man mit der Entscheidung des Integrationsamts nicht zufrieden, besteht die Möglichkeit des Widerspruchs – so wird der Vorgang noch einmal geprüft, eventuell weitere Stellungnahmen angefordert, eine ärztliche Untersuchung veranlasst oder eine fachtechnische Stellungnahme des Technischen Beraters eingeholt. Nach Abschluss der erneuten Überprüfung entscheidet das Integrationsamt, ob es dem Widerspruch in vollem Umfang entspricht. Von einem Teil-Abhilfebescheid spricht man, wenn das Integrationsamt den Widerspruch für teilweise begründet hält. Ist der Widerspruch nach erneuter Beurteilung des Integrationsamtes nicht begründet oder besteht eine Nichtanerkennung eines Teil-Abhilfebescheides, wird der Widerspruch dem Widerspruchsausschuss beim Integrationsamt zur Entscheidung vorgelegt.

Zuständigkeiten und Beratung

Die Leistungen persönlicher und finanzieller Art stellen eine individuelle, auf die besonderen Anforderungen des Arbeitsplatzes und die besonderen Bedarfe der schwerbehinderten Menschen abgestellte Förderung dar. Bei finanziellen Leistungen kann im Einzelfall zunächst unklar sein, ob das Integrationsamt oder ein Rehabilitationsträger zuständig ist. Für diesen Fall regelt die Zuständigkeitsklärung (§§ 14–15 SGB IX), wie zu verfahren ist.
Das Integrationsamt hat die Möglichkeit, Leistungen vorläufig zu erbringen, wenn die unverzügliche Erbringung der Leistung erforderlich ist (§ 185 Abs. 7 Satz 3 SGB IX). Die Vorschrift über die Erstattung selbst beschaffter Leistungen (§ 18 SGB IX) findet auf das Integrationsamt keine Anwendung. Eine Aufstockung der Leistungen der Rehabilitationsträger durch Leistungen des Integrationsamtes im Rahmen der Begleitenden Hilfe im Arbeitsleben ist nicht zulässig (Aufstockungsverbot).

Quellen