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Initiative Selbsthilfe Multiple Sklerose Kranker e. V.

Flexible Arbeitsplatzmodelle bei MS

Red., Blickpunkt-Ausgabe 04/2021

So lange wie möglich den Beruf ausüben zu können, der einem Spaß macht, Erfüllung bringt und ökonomische Unabhängigkeit garantiert – für viele MS-Betroffene ist das eine wichtige Voraussetzung im Umgang mit der chronischen Krankheit. Da es im Verlauf aber immer wieder auch Zeiten geben wird, in denen man persönliche Freiräume braucht, helfen unterschiedliche Arbeitsplatzmodelle, den Joballtag flexibler zu gestalten.

Teilzeit: Das Recht, die Arbeitszeit zu reduzieren

Zunächst einmal liegt es nahe, Möglichkeiten auszuloten, die einem etwas mehr Freizeit und Ruhepausen verschaffen. Dazu gibt es eine Reihe von gesetzlichen Regelungen, wie etwa das Gesetz über Teilzeitarbeit und befristete Arbeitsverträge (TzBfG), das Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz (BeEG), das Pflegezeitgesetz (PflegeZG), das Familienpflegezeitgesetz (FPfZG), das Neunte Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) und das Altersteilzeitgesetz (AltTZG). Besonders das TzBfG und das SGB IX sind für jüngere MS-betroffene Arbeitnehmer*innen relevant.

Gesetz über Teilzeitarbeit und befristete Arbeitsverträge

Bestimmte Ansprüche auf Verringerung der Arbeitszeit gelten für alle Beschäftigten, auch solche, die bereits in Teilzeit arbeiten. Die rechtliche Grundlage dafür findet sich für Betriebe mit mindestens 15 Beschäftigten im Gesetz über Teilzeitarbeit und befristete Arbeitsverträge (§ 8 TzBfG). Der Anspruch kann nach einer Wartezeit von sechs Monaten geltend gemacht werden, der entsprechende Antrag auf Teilzeit sollte drei Monate vor Beginn der neuen Regelung beim Arbeitgeber mündlich, besser noch schriftlich gestellt und vom Arbeitgeber einen Monat vor Beginn der neuen Regelung genehmigt werden, wenn keine betrieblichen Gründe dagegensprechen. Hält er diese Frist nicht ein, gilt die Genehmigung als erteilt. Diese Wahl führt zu einem veränderten Arbeitsvertrag mit geringerer Stundenzahl und entsprechend weniger Gehalt, die Teilzeitarbeit ist somit zeitlich nicht begrenzt. Daneben gibt es noch die Möglichkeit, bei Betrieben mit mehr als 45 Beschäftigten die Arbeitszeit für einen im Voraus zu bestimmenden Zeitraum von einem Jahr bis fünf Jahre zu verringern (Brückenteilzeit) und danach wieder in die geregelte Arbeitszeit zurückzukehren.

Neuntes Buch Sozialgesetzbuch – Pflichten des Arbeitgebers und Rechte schwerbehinderter Menschen

Für schwerbehinderte und ihnen gleichgestellte Beschäftigte liefert das Sozialgesetzbuch IX (§ 164 Abs. 5 SGB IX) eine weitere Grundlage zur Erreichung einer Teilzeitregelung. Hierbei entfallen die eigene Wartezeit und die Zustimmung des Arbeitgebers, auch die Größe des Betriebs ist nicht relevant. Entscheidend ist nur, dass die kürzere Arbeitszeit wegen Art oder Schwere der Behinderung notwendig ist oder wird und dem Beschäftigten dadurch eine gleichberechtigte Teilhabe trotz gesundheitlicher Einschränkungen ermöglicht wird. Jederzeit – ohne Bindung an eine Form oder Frist – kann vom Beschäftigten dabei verlangt werden, nur noch in einem seiner Behinderung Rechnung tragenden zeitlichen Umfang eingesetzt zu werden. Laut einem entsprechenden Urteil des Bundesarbeitsgerichts aus dem Jahr 2003 muss der Beschäftigte den Umfang der behinderungsbedingten Kürzung der Arbeitszeit ausdrücklich angeben. Dies kann dauerhaft oder auch nur vorübergehend vereinbart werden. Der zusätzliche Aufwand sollte dabei allerdings für den Arbeitgeber zumutbar sein. Einschränkungen der Rechte nach dem Sozialgesetzbuch IX durch anderslautende Regelungen in Tarifverträgen sind nicht möglich.

Classic:
Die tägliche Arbeitszeit einer 5-Tage-Woche wird gleichmäßig reduziert, Dauer und Länge der Arbeitstage liegen fest.
Classic Vario:
Die wöchentliche Arbeitszeit wird auf 2–5 Tage flexibel verteilt.
Home:
Die Arbeitszeit beträgt 5 oder 2–4 Tage, die Arbeit wird von zuhause mit einzelnen Präsenztagen im Unternehmen geleistet.
Team:
Die Arbeitszeit beträgt 2–5 Tage, das Unternehmen gibt nur vor, wie viele Mitarbeitende in bestimmten Zeitabschnitten im Betrieb anwesend sein müssen. Das Beschäftigtenteam organisiert, plant und beaufsichtigt dann flexibel die jeweilige persönliche Arbeitszeit.
Invest:
Die Arbeitszeit beträgt 5 Tage Vollzeit, bezahlt wird Teilzeit. Die Differenz wird als Zeit- oder Geldguthaben auf einem Wertguthaben- bzw. Langzeitkonto angespart. Mehrmonatige Freistellungsphasen oder langfristig sogar der vorgezogene Ruhestand bei vollem Gehalt werden so möglich.
Saison:
Die Arbeitszeit beträgt 5 Tage Vollzeit in der Saison, außerhalb der Saison hat man frei und das bei einem ganzjährigen monatlichen Grundgehalt.

Andere Alternativen

Darüber hinaus gibt es noch arbeitgeberabhängige Angebote für eine flexible Arbeitszeit, die im Arbeitsvertrag festgelegt sind, wie die Gleitzeit und die Vertrauensarbeitszeit.

Gleitzeit:

Die gleitende Arbeitszeit setzt sich zusammen aus der Gleitspanne, der Kernarbeitszeit und dem Arbeitsende. Anwesenheits- und Arbeitspflicht besteht lediglich während der Kernarbeitszeit. Das Modell wird von einer Arbeitszeiterfassung und einem Stundenkonto unterstützt, das dem Beschäftigten eine Sollarbeitszeit anzeigt. Geleistete Überstunden können mithilfe sogenannter arbeitsfreier Gleittage abgebaut werden.

Vertrauensarbeitszeit:

Die Beschäftigten gestalten ihre Arbeitszeit weitgehend autonom und selbstverantwortlich. Gesteuert wird das Modell über Zielvereinbarungen, die erfüllt werden müssen. Vorgesetzte verzichten im Gegenzug auf die Kontrolle, ob die Beschäftigten die vertraglich vereinbarte Arbeitszeit tatsächlich erfüllen.

Fazit

Grundsätzlich bieten die verschiedenen Modelle eine gute Wahlmöglichkeit, den individuell für sich benötigten Freiraum im Einklang mit der Arbeit umzusetzen. Schwerbehinderte und ihnen gleichgestellte Beschäftigte haben Anspruch auf ein Wahlrecht zwischen den Regelungen des TzBfG und den Regelungen des SGB IX. Beide Anspruchsgrundlagen können von ihnen auch miteinander kombiniert werden.
Zu bedenken ist aber auch immer, dass eine Verringerung der Arbeitszeit mit einem geringeren Gehalt, einem geringeren Arbeitslosengeldanspruch und einer niedrigeren Alters- und Erwerbsminderungsrente einhergehen. Hier sollte man sich also vorab umfangreich (etwa beim VdK) beraten lassen. Eine gute erste Orientierung bietet auch der Internetauftritt des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales.

Quellen

Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS). Teilzeit, im Internet abrufbar unter www.bmas.de/DE/Arbeit/Arbeitsrecht/Teilzeit-flexible-Arbeitszeit/Teilzeit/teilzeit.html.

Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS). Teilzeitrechner 2021, im Internet abrufbar unter www.bmas.de/static/Teilzeit-Netto-Rechner/index.html.