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Initiative Selbsthilfe Multiple Sklerose Kranker e. V.

Für mehr Transparenz im Ärztewesen: Zuwendungen durch die Industrie sollten offengelegt werden

Red., Blickpunkt-Ausgabe 3/2019

Dass Pharmakonzerne Ärztinnen und Ärzten sowie Gesundheitseinrichtungen Milliardenbeträge für Honorare, Spesen und andere Leistungen zukommen lassen, ist kein Geheimnis. Möchte man sich allerdings gezielt einen Überblick darüber verschaffen, ob sich durch bestimmte Zahlungen möglicherweise Interessenkonflikte ergeben, stößt man schnell an Grenzen. Die Initiative unbestechlicher Ärztinnen und Ärzte MEZIS e. V. fordert daher eine Verpflichtung zur Offenlegung bon finanziellen oder geldwerten Zuwendungen durch Arznei- und Medizinprodukthersteller. Sie macht auch auf Schwierigkeiten des Informationsprojekts „Euros für Ärzte“ der Journalistenvereinigung CORRECTIV aufmerksam, welches die Zuwendungen an zentraler Stelle für interessierte offenzulegen versucht.

Transparenz basiert derzeit auf Freiwilligkeit

Ein gewisses Maß an Transparenz in diesem Bereich schafft der sich im Jahr 2004 gebildete Verein Freiwillige Selbstkontrolle für die Arzneimittelindustrie e. V. (FSA), dem derzeit 56 Konzerne angehören. Im Rahmen ihrer Zusammenarbeit mit unterschiedlichen Akteuren aus dem Gesundheitswesen haben sich diese Unternehmen an Verhaltensgrundregeln zu halten, die eine unlautere Beeinflussung von Ärzteschaft und Patientenorganisationen ausschließen sollen. Einer Recherche der Journalistenvereinigung CORRECTIV zufolge sind die Maßnahmen der FSA e. V. allerdings nicht annähernd ausreichend, denn aufgrund der Freiwilligkeit der Angaben möchte nur rund ein Viertel der betroffenen Ärztinnen und Ärzten über diese Art der Zusammenarbeit überhaupt detailliert Auskunft geben – Tendenz sinkend. Und obwohl drei Viertel der betroffenen Ärzteschaft sich somit gegen eine Veröffentlichung ihrer Daten entschieden hat, werden bei
FSA e. V. immer noch über 16 500 Personen freiwillig gelistet, die im Jahr 2017 etwa 24 Millionen Euro an Zuwendungen erhalten haben. Dazu kommt, dass ein Großteil der Zahlungen hier gar nicht erst mit eingerechnet wird, da sich laut CORRECTIV sogenannte Anwendungsbeobachtungen von Pharmaunternehmen (die Ärztinnen und Ärzte dafür bezahlen, dass Patientenerfahrungen mit einem bestimmten Produkt langfristig schriftlich dokumentiert werden) nicht als Zuwendungen deklariert werden müssen, weil sie in den
Bereich der Forschung fallen – und das, obwohl an dem rein wissenschaftlichen Nutzen dieser Beobachtungen erheblicher Zweifel besteht.
Und Medizinprodukthersteller, so gibt auch die Initiative unbestechlicher Ärztinnen und Ärzte MEZIS e. V., die das Thema Transparenz im Ärztewesen seit Jahren kritisch begleitet, zu bedenken, sind weder an FSA e. V. oder anderen Vereinigungen beteiligt.
Schließlich finden sich diese Angaben auch nicht in einem zentralen Register, sondern verteilen sich auf eine Vielzahl von Einzeldokumenten, die eine Einsicht, besonders durch interessierte Laien, erheblich erschwert.

Dateneinsicht an zentraler Stelle

Nun können, wie in Studien bereits belegt, solche Zuwendungen das Verschreibungsverhalten beeinflussen, was möglicherweise auch nachteilige Wirkungen auf die Patientengesundheit sowie die Wirtschaftlichkeit von Gesundheitssystemen hat. CORRECTIV setzt dieser Praxis deshalb mit der Datenbank „Euros für Ärzte“ ein eigenes Informationsinstrument entgegen, das (in Zusammenarbeit mit Spiegel Online) entsprechende Daten zusammenführt und sie an einer zentralen Stelle für alle zugänglich macht. CORRECTIV sieht sich dafür aktuell allerdings einer datenschutzrechtlichen Klagewelle durch eine einzige Anwaltskanzlei ausgesetzt, von der bisher zwar noch keiner Klage stattgegeben wurde (da ja die veröffentlichten Daten nur den Dokumenten der Initiative der FSA e. V. entnommen und hier der Offenlegung bereits im Vorfeld zugestimmt wurde), der Initiative dadurch aber hohe Kosten entstehen und dort unnötig Personal gebunden wird – sie schlichtweg also einfach lähmt.

Verpflichtung zur Offenlegung von Zahlungen durch die Industrie

MEZIS e. V. fordert entsprechend eine konsequente Schaffung von Transparenz durch die Verpflichtung zur Offenlegung von Zahlungen durch die Industrie. Einem Antrag auf eine berufsrechtliche Verankerung zur Offenlegung auf dem diesjährigen Ärztetag wurde, so bedauert MEZIS e. V., leider nicht stattgegeben und somit eine weitere Chance vertan, das Vertrauen in solche Ärztinnen und Ärzte oder Gesundheitseinrichtungen zu stärken, die ihre Zuwendungen entsprechend offenlegen. (Red.)

Quellen