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Initiative Selbsthilfe Multiple Sklerose Kranker e. V.

Therapie Nachgefragt: Interview mit der MS-Patientin und Ärztin Dr. Terry Wahls

Tom Foell, Blickpunkt-Ausgabe 02/2022

In unserer Serie „Therapie Nachgefragt“ geht es in dieser Ausgabe um eine internationale Leitfigur der MS-Therapie: Dr. Terry Wahls ist eine US-amerikanische Ärztin, die selbst an MS erkrankt ist und mit einer SPMS leider sogar in den Rollstuhl gekommen ist. Damit hat sie sich aber nicht abgefunden, sondern mit medizinischer Intelligenz, viel Wille und Disziplin einen eigenen Weg und eine eigene Therapie entwickelt, mit der sie inzwischen wieder laufen und Fahrrad fahren kann. Im Interview mit ihr besprach ich Fragen zur Remyelinisierung, der Rolle von Bewegung und dem Einsatz von Medizintechnik sowie Nahrungsergänzungsmitteln. Und um ein tieferes Bild zu bekommen, nahm ich auch einige ihrer Online-Angebote wahr.

Zur Person

Dr. Terry Wahls ist eine vom Institute for Functional Medicine (IFM) zertifizierte Ärztin und Professorin für Medizin an der Universität von Iowa, wo sie auch klinische Studien durchführt. Für ihre Beiträge zur Forschung, klinischen Versorgung und Patientenvertretung wurde sie im Jahr 2018 mit dem Linus Pauling Award des IFM ausgezeichnet. Sie hat eine sekundär progrediente Multiple Sklerose, die sie vier Jahre lang an einen Rollstuhl mit kippbarer Rückenlehne fesselte. Mithilfe eines von ihr speziell für ihr Gehirn entwickelten Ernährungs- und Lebensstilprogramms brachte sich Dr. Wahls wieder auf die Beine und fährt jetzt jeden Tag mit dem Fahrrad zur Arbeit. Sie ist Autorin des Sachbuchs Multiple Sklerose erfolgreich behandeln – mit dem Paleo-Programm und des Kochbuchs The Wahls Protocol Cooking for Life.

Das Wahls-Protokoll ist ein integrierter, komplementärer Therapieansatz und fußt auf einer sehr strengen Paleo-Diät mit viel Fleisch, Fisch und Gemüse (besonders grün, blättrig) bei Verzicht auf Molkereiprodukte und Eier, Getreide (einschließlich Weizen, Reis und Haferflocken), Hülsenfrüchte (Bohnen und Linsen), Nachtschattengewächse und Zucker – sie selbst praktiziert und empfiehlt dabei sogar die ketogene Ernährung. Dazu integriert sie viel Bewegung, Stress-Management und funktionale Medizin mit regelmäßigen Laborkontrollen.

Recherche neben dem Interview

Ich selbst bin über ihr Buch auch auf Elektrostimulation (nachfolgend E-Stim) und das Neubie-Gerät von NEUFIT gestoßen, das ich schon in einem Artikel in der Medizintechnik-Serie im BP 1/21 vorgestellt habe. Dr. Wahls benennt die E-Stim und besonders das speziell dafür entwickelte Neubie als einen zentralen Baustein für ihren Erfolg und hat dazu eine eigene Serie mit Video-Clips entwickelt, die sie auf ihrer Website anbietet. Das Angebot ist als Online-Service kostenpflichtig (99 US$; wer lange genug auf der Seite wartet, zahlt nur 69) nutzbar, aber nur in Englisch verfügbar. Zur Vertiefung der Inhalte habe ich an dieser E-Stim-Serie genauso teilgenommen wie an der regelmäßig stattfindenden „5-Tage-Herausforderung“ (5-Day-Challenge). In der 19-teiligen E-Stim-Serie stellt sie u. a. die Bedeutung von Bewegung, die Gefahr von Inaktivität, die Unterschiede zwischen TENS und E-Stim, einen Vergleich verschiedener Geräte und einige Beispielübungen vor – alles auf Englisch, mit einigen US-Spezifika, aber durchaus nachvollziehbar und hilfreich. Die 5-Day-Challenge ist eines der wenigen kostenlosen Angebote, bei dem man aber auch für aktuell 50 € ein VIP-Upgrade u. a. zur Teilnahme an Live-Sessions am Vortag erwerben kann. Bei meinem Kurs fanden die Live-Sessions um zwei Uhr nachts statt, was auch Terry Wahls als nicht sinnvoll einstuft und stattdessen einen guten Schlaf empfiehlt. Die 5-Tage-Herausforderung ist eine Vorbereitung auf das Wahls-Protokoll, mit der man sich an fünf Tagen mit dem „Wieso“ der eigenen Erkrankung, den eigenen Zielen und dem eigenen Antrieb auseinandersetzt, diese Ziele zu erreichen. Da das Wahls-Protokoll eine integrierte Therapie mit aufwändigen und diszipliniert zu befolgenden Elementen ist (Ernährung, funktionale Medizin, Bewegung, Meditation), hilft ein solches Bekenntnis zum Start bestimmt sehr.

Das nur in der englischen Version (und mit englischen Maßeinheiten) erhältliche Kochbuch ist eher eine Basis-„Koch“-Anleitung für die Wahls-Diät. Die Adaption auf deutsche Zutaten und viel Bio-Fleisch (Paleo) wird wohl weder einfach noch preisgünstig.

Das Interview

Remyelinisierung

Tom Foell (TF): Was ist Ihre Perspektive zu aktuellen Ansätzen der Remyelinisierung?

Dr. Terry Wahls (TW): Im Gehirn gibt es zwei wichtige Zellpopulationen, die Neuronen und die Gliazellen. Zu den Gliazellen gehören, neben den Oligodendrozyten und den Schwannschen Zellen, auch die Astrozyten/Astroglia (die „Sternzellen“, die neuronale Netzwerke strukturieren und Neurone voneinander abschirmen) und die Mikrogliazellen (die „Wächterzellen“, das Verteidigungs- und Immunsystem des Gehirns). Wenn solche Gliazellen ein Problem in der Umgebung wahrnehmen, rufen sie die Immunzellen herbei, die alles in Sichtweite abtöten, auch die Gehirnzellen. Deshalb müssen wir uns auf diese Gliazellen konzentrieren, wenn wir eine Umgebung schaffen möchten, die für Remyelinisierungsprozesse förderlich ist. Alle bisherigen Studien, in denen Medikamente zur Remyelinisierung eingesetzt wurden, sind kläglich gescheitert, und ich denke, es liegt daran, dass sie sich nicht mit den Mikroglia und den Astrozyten befasst haben.
Das Wahls-Protokoll ist multimodal – es beinhaltet Diät, Stressabbau, Bewegung und Meditation – und spricht so die Mikroglia an, ein Umfeld zu schaffen, in dem Remyelinisierung stattfinden kann. Um also für mein Gehirn die Signale zur Myelinreparatur zu erzeugen, muss ich neue Dinge lernen, neue körperliche Aufgaben angehen und mich angemessen ernähren – all das ist Teil des Wahls-Protokolls.

TF: Gehen wir doch einen Schritt weiter zur Medizintechnik (im Folgenden: MedTech). Sie erwähnten, dass Menschen mit MS jedes Jahr mit einer Verschlechterung von 10–20 % rechnen müssen, Ihre Forschungen mit E-Stim-Geräten aber zeigen konnten, dass 50 % der Teilnehmer*innen diesen Verlauf dadurch stoppen oder sogar verbessern. Auf der anderen Seite sehen wir, dass Pharmazeutika für die MS-Therapie von den verantwortlichen Arzneimittelbehörden schon bei 20 % Wirkung genehmigt werden und die Versicherungen dafür hohe Summen aufwenden, teils 3.000 € pro Patient*in und Monat. Da frage ich mich natürlich, wie wir auch andere Therapieansätze – z. B. MedTech – als Therapie für MS zur Zulassung bringen können.

TW: Hier in den USA muss man für eine solche Zulassung eine IND-Nummer (Investigational New Drug, Prüfpräparat), bei der Food and Drug Administration (FDA, die Behörde, die in den USA für die Zulassung und Marktüberwachung von Lebensmitteln, Medikamenten und Medizinprodukten verantwortlich ist), beantragen und eine anonymisierte Kontrollstudie durchführen, um den Nutzen nachzuweisen – bei Genehmigung führt das zu Studie Nummer eins. Und dann, mit der gleichen IND-Nummer, folgt Versuch Nummer zwei. Um das zu tun, braucht man etwa 4 Mio. US$ pro Studie. Das sind also bestenfalls 5–10 Mio. US$, die ich aufbringen muss, um diese Art von Studien durchführen zu lassen.

Genau das gleiche gilt für die Zulassung einer Studie, die zeigt, dass die Kombination von Ernährung und Lebensstil für MS wirksam ist. Das lohnt sich eigentlich nur, wenn man ein Patent dafür anmelden kann. Wir haben das etwa bei unserer Universität vorgestellt und sie sagten: „Nein, das ist nicht patentierbar, schreiben Sie ein Buch.“ Genau das habe ich dann getan und zusätzlich auch Forschungen durchgeführt. In fünf Studien konnte ich belegen, dass die Ernährung hilfreich ist. Nun, ich werde für diese Therapie von den Behörden trotzdem keine Genehmigung bekommen.
Für MedTech-Therapien gilt übrigens das Gleiche: In den USA müssen Sie eine IND für das Gerät bekommen, und schon das ist sehr teuer. Sie können dieses Gespräch also auch mit einem MedTech-Anbieter führen, um herauszufinden, ob er eine Finanzierungsmöglichkeit sieht, die Sinn macht. Ja, das sind die Hindernisse und die Möglichkeiten.

TF: Ich weiß, dass wir seit 2018 in Deutschland an der Charité mit der NAMS-Studie eine Untersuchung zur Wirksamkeit dreier Ernährungskonzepte auf den Erkrankungsverlauf von MS-Betroffenen durchführen. Nicht zum Wahls-Protokoll, aber zumindest zum intermittierenden Fasten und zur ketogenen Diät.

TW: Ja, das ist sehr interessant. Sie konnten bereits zeigen, wie die ketogene Diät die Neurofilament-Serumspiegel verbessert. Ich finde das sehr aufregend, und wir werden versuchen, Mittel zu generieren, um Neurofilamente zu analysieren, damit wir diese Frage beantworten können.

TF: Sie unterstützen also auch den ketogenen Ansatz?

TW: Ich selbst nutze ihn. Und wir rekrutieren gerade Teilnehmer*innen für eine neue zweijährige Studie, die die ketogene Diät im Vergleich zur Paleo-Diät und den Ernährungsrichtlinien untersucht. Insgesamt werden wir für diese Studie fünf Jahre brauchen.

TF: Die funktionelle Medizin, mit der auch Sie praktizieren, wird in den USA ziemlich intensiv genutzt, in Deutschland dagegen eher selten. Sie kommt vor allem bei chronischen oder schwierigen Beschwerdemustern zum Einsatz, wenn sie den Menschen als Ganzes betrachtet, statt mit einzelnen Symptomen zu arbeiten.

TW: In den USA hat sich das auch sehr langsam entwickelt. Alles begann vor etwa 30 Jahren mit einem kleinen Programm, das stetig größer geworden ist. Auch in Deutschland gibt es jetzt ein immer größeres öffentliches Interesse und wird aktiv nachgefragt. Daher sind auch mehr Ärzt*innen daran interessiert, sich dahingehend ausbilden zu lassen. Und das nimmt weiter zu. Aber es muss eben durch die Nachfrage weiter angetrieben werden, und der größte Treiber ist hier die Öffentlichkeit.

TF: Hat die Wahls-Diät etwas mit der Matt-Embry-Diät (MS Hope) zu tun?

TW: Natürlich habe ich die Embry-Familie kennengelernt, und sie haben mich in die Paleo-Diät eingeführt. Es gibt sogar einige Leute, die denken, dass die Paleo-Diät mich geheilt hat. Das stimmt aber nicht. Ich habe mich 2002 auf die Paleo-Diät umgestellt, im Jahr darauf saß ich im Rollstuhl. In 2007 konnte ich mich schon nicht mehr aufsetzen, trotz Autoimmunprotokoll während der Paleo-Diät. Ich musste das erst für mich umgestalten, indem ich die E-Stim, funktionelle Medizin und Meditation hinzugefügt habe. Und ein Jahr später laufe ich, wandere ich und fahre ich 18,5 Meilen am Tag mit dem Fahrrad.

Bewegung und Medizintechnik

TF: Als bei mir die Diagnose gestellt wurde, sagte man mir, dass zu viel Bewegung mehr schaden als nützen könne und ich es deshalb vermeiden solle, Sport zu treiben. Ich sehe immer noch viele – vor allem ältere – Menschen mit MS in Deutschland, die diese Meinung vertreten. Sie selbst nennen dagegen intensive Bewegung als ein sehr wichtiges Element der MS-Therapie. Gibt es denn ein Mindestmaß an Bewegung, das Sie z. B. Menschen mit einem höheren Behinderungsgrad empfehlen?

TW: Selbst Menschen, die nicht mehr laufen können, sollten Physiotherapeut*innen aufsuchen, die ihnen dabei helfen, eine Reihe von persönlichen Übungen zu entwickeln, die sie angesichts ihrer besonderen Einschränkungen dann umsetzen können. Wir wissen, dass Menschen, die z. B. eine Rückenmarksverletzung hatten und nicht mehr gehen können, durch die Hilfe von MedTech ihre Muskelmasse stimulieren, bessere Knochen und eine gesündere Körperhaltung erreichen können. Und das selbst, wenn sie nie wieder gehen können – das zeigt z. B. unsere Forschung mit E-Stim für Menschen im Rollstuhl.

Ein E-Stim-Training benötigt Zeit und ist auch sonst mit einem hohen Aufwand verbunden. Sie können damit Muskelmasse bewegen, um wieder Muskelmasse aufzubauen und das Wohlbefinden zu verbessern. Ohne diesen Aufwand können Sie aber keine Verbesserung erzielen – mit oder ohne MedTech. Ehemalige Athlet*innen wie ich, die das Training verstehen und bereit sind, diesen Weg zu gehen, haben große Erfolge erzielt. Und wir haben Patient*innen, die bemerkenswerte Fortschritte bei ihrer Mobilität machen.

TF: Ich habe vom Hersteller gehört, dass es drei verschiedene Typen von Menschen gibt, die auf das Training mit dem Neubie reagieren. Es gibt diejenigen, die langsam, die mittel-schnell und die schnell ansprechen. Das ist meiner Meinung nach etwas sehr Wichtiges, das die Patient*innen vor einem E-Stim-Training wissen müssen, um keine falschen Erwartungen zu entwickeln. Aber Sie sagen, selbst wenn man im Rollstuhl sitzt und gar nicht mehr gehen kann, bringt das E-Stim-Training immer noch viel für den Stoffwechsel?

TW: Es leistet Wunderbares für Ihre Lebensqualität, Ihren Stoffwechsel, Ihre Neurotransmitter und Ihr Nervenwachstum. Und selbst Menschen mit einer Rückenmarksverletzung, die nie wieder gehen werden, erreichen durch die tägliche Anwendung eine enorme Verbesserung ihres Wohlbefindens.

Wenn es also nur eine Sache gibt, die man tun sollte, dann sollte es Bewegung sein, denn sie ist lebenswichtig für Ihr Gehirn und Ihre Mobilität.

Weit verbreitet ist hier leider aber auch die Idee, dass einem die Nutzung von E-Stim die ganze Arbeit abnimmt, nach dem Motto: Man schließe mich an das Gerät an, dann muss ich keine Arbeit leisten. Mit dieser Einstellung wird allerdings nicht viel passieren.

TF: Empfehlen Sie allen MS-Patient*innen, ein Neubie zu kaufen?

TW: Wenn Sie neu diagnostiziert wurden, machen Sie am besten das Wahls-Protokoll und kombinieren das mit Krafttraining, Gleichgewichtstraining, etwas Yoga und Ausdauertraining, dann werden Sie hoffentlich keine Defizite entwickeln. Wenn sie schon Muskelschwächen haben, dann kann E-Stim, etwa mit dem Neubie, sehr hilfreich für Sie sein. Es ist aber sehr wichtig, jemanden zu haben, der Ihnen dabei hilft, dieses Gerät richtig zu nutzen. Ein Neubie zu kaufen, ohne zu wissen, wie man es richtig nutzt, ist reine Geldverschwendung. Für E-Stim gibt es ja viele Arten von Geräten, das Neubie ist aber eines der besten, und das einzige für die Klinik.

Ja, und mir ist klar, dass es kompliziert ist, jemanden zu finden, der Ihnen ein Neubie zur Verfügung stellt und Sie darin schult. Sie möchten aber ein E-Stim-Gerät verwenden, das Sie idealerweise mit jemandem nutzen können, der Ihnen bei der Anwendung und der Integration in eine Übungsroutine hilft.

Nahrungsergänzungsmittel

TF: Nahrungsergänzungsmittel sind und werden zu einem immer größeren Thema in der MS-Therapie. Entsprechend steigt die Zahl der Therapeut*innen, die Nahrungsergänzungsmittel zur Behandlung von MS empfehlen und alle sagen, dass ihre Empfehlung die Beste ist. Wirken Nahrungsergänzungsmittel denn nicht individuell sehr verschieden?

TW: Ja, das ist absolut so. In meinem Buch gehe ich auch darauf ein, wie ich über Nahrungsergänzungsmittel denke und welche ich aufgrund der jeweiligen Symptome für die besten halte. Weiterführend kann man dann detailliertere Gentests machen oder etwa den Ernährungsstatus, den mitochondrialen Status der Zellen und das Mikrobiom analysieren. Damit kann ich viel spezifischere Empfehlungen geben – die Labortests sind aber zum Teil noch recht teuer. Für Menschen, die die Ressourcen haben und eine intensivere Untersuchung bzw. individuelle Empfehlung wünschen, kann ich das tun. Ansonsten empfehle ich, mein Kapitel über Nahrungsergänzungsmittel zu lesen.

TF: Mit den Labortests gibt es damit über das persönliche Empfinden hinaus eine gute Chance, um herauszufinden, welche Nahrungsergänzungsmittel individuell wirklich funktionieren – reicht das?

TW: Das wird sich mit der Zeit ändern. Sie nehmen Nahrungsergänzungsmittel ein und korrigieren damit Ihre Defizite. Damit verbessert sich Ihr Stoffwechsel und was Sie einnehmen müssen, wird sich im Laufe der Zeit weiterentwickeln und verändern.

TF: Das heißt, dass eine regelmäßige Laborkontrolle sinnvoll ist. Bieten Sie diese Labortests oder andere Unterstützung auch in Europa an?

TW: Nun, es gibt Dinge, die wir nur in der Klinik in den USA machen können, und es gibt verschiedene Tests, die wir für das internationale Publikum machen können. Das sind Tests, für die eine getrocknete Blutprobe in die USA geschickt werden kann.

TF: Wäre das nicht auch wieder ein Grund für Therapeut*innen in Deutschland, diese Methoden anzubieten, damit man hier auch vor Ort eine direkte Unterstützung bekommt?

TW: Ich denke, die Öffentlichkeit wäre sicher sehr daran interessiert, diese Informationen zu erhalten und diese neuen Möglichkeiten kennenzulernen.

TF: Sie könnten also z. B. auch Therapeut*innen darin schulen, welche Art von Laboruntersuchungen sie in Deutschland und Österreich/Schweiz durchführen müssten, um dies auch als lokale Lösung anzubieten?

TW: Ja, ein Leitfaden, der aufzeigt, was die Leute überdies noch für sich selbst tun können, wäre hier auch nötig.

TF: Sie sagen also, dass dabei besonders die Ernährungstests wichtig sind?

TW: Ja, Sie sollten aber auch Biomarker und Hormonspiegel überprüfen, um zu ermitteln, welche Maßnahmen am sinnvollsten sind.

Fazit

Aus meiner Sicht entspricht das von Dr. Wahls empfohlene Programm sehr viel stärker einer artgerechten Lebensweise für die Spezies Mensch als die Ergebnisse, die die Evolution in den letzten Generationen (Industrialisierung, Lebensmittelproduktion, Dominanz Büroarbeit, 24/7 Stress) hervorgebracht hat. Es weicht aber so stark von der allgemeinen Lebensweise ab, dass die Befolgung nur mit einem großen Willen, Motivation und viel Disziplin funktioniert. Leider gibt es für den Erfolg keine Garantie, sondern ist – wie auch alle anderen Therapie-Ansätze bei MS – ein möglicher Weg, den man an sich selbst testen muss. Einer der größten Vorteile gegenüber anderen – vor allem den rein pharmabasierten – Ansätzen ist aus meiner Sicht das Risiko/Nutzen-Verhältnis: kein wirklich großes Risiko bei potenziell größtmöglichem Nutzen. Die Integration von E-Stim teste ich selbst seit einiger Zeit – aktuell auch mit anderen MS-Betroffenen – und erlebe dabei beeindruckende Erfolge. Das motiviert auch für einen disziplinierteren Test der anderen Elemente.

Ich danke Dr. Wahls sehr für ihre Zeit und wünsche mir wieder einmal, dass sich die integrierte Therapie auch in Deutschland mehr und mehr durchsetzt. Dass Therapeut*innen für funktionelle Medizin hier durchstarten, dass E-Stim sich durchsetzen kann und nicht von Physiotherapeut*innen oder Kliniken als „altbackene“ Methode abgelehnt wird – und vor allem, dass man sich in Deutschland nicht mehr wie ein Aussätziger fühlen muss, wenn man sich ketogen, linolsäurearm und organisch ernähren will.

Quellen

  • Informationsblatt zur Wahls™-Diät, abrufbar im Internet unter www.terrywahls.com/diet/.
  • Klinische MS-Studien von Dr. Terry Wahls, abrufbar im Internet unter www.wahls.lab.uiowa.edu/.