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Initiative Selbsthilfe Multiple Sklerose Kranker e. V.

Hereinspaziert! Einmal Achterbahnfahren, bitte!: Zum Jahreswechsel ist es Zeit, ein Resümee zu ziehen

Petra Orben, Blickpunkt-Ausgabe 04/2018

2018, was für ein Jahr! Andauernd die tausend „Amtsgeschäfte“ und alle sonstigen „Baustellen“ im Blick zu haben und dabei nicht die gute Laune zu verlieren, war ohne Ende kraftraubend. Leider hatte sich meine gute Laune im Laufe des Jahres 2018 dann tatsächlich oftmals verflüchtigt. Schwupp, weg war sie! Es war die totale Achterbahnfahrt. Dieser ewige Wechsel von rauf und runter hatte es echt in sich. Und das mir, der es schon seit Kindertagen auf dieser Art Fahrgeschäft immer sofort schlecht wurde.

Thema Wohnen

Das Thema Wohnen zog sich ja durch all meine Artikel in diesem Jahr. Wie ist da der Stand der Dinge? Diesbezüglich bin ich nicht viel weitergekommen. Ich wohne noch immer am selben Ort, halte aber Augen und Ohren ständig offen. Auch erzähle ich vielen Menschen, dass ich „irgendwie“ anders wohnen möchte. In der Hoffnung, mir fällt die perfekte Wohnlösung in den Schoß. Um aktiv auf Wohnungssuche zu gehen, fehlt mir derzeit noch die Energie. Ständig gibt es etwas Wichtigeres zu erledigen, und dann ruft schon wieder das Sofa. So ist es halt eben. Noch habe ich es hier in meinen vier Wänden ganz gut, und wenn ich nicht so furchtbar erschöpft bin, komme ich auch zurecht. Na ja, mit diversen Abstrichen… Mal abgesehen davon, dass der soziale Wohnungsmarkt derzeit leider wie leergefegt ist, fällt mir im Augenblick keine gute Freundin ein, die mit mir eine Wohngemeinschaft gründen könnte.

Mich hat es übrigens sehr berührt, dass es so viele Reaktionen von euch MSK-lern, gerade zum Thema Wohnen, gegeben hat. Das zeigt mir, dass ich keine Exotin bin mit meinen Wünschen, Ängsten, Bedenken und Bedürfnissen rund um diesen Themenkomplex: „Wo und wie will ich eigentlich mal wohnen?“ Ich danke euch allen!

Optimale Rollstuhlversorgung?

Noch genauso unbefriedigend wie vorher. Irgendwie komme ich da nicht weiter. Und das Sitzen auf dem Sofakissen ist nach wie vor unbequem. Das Rezept für das Sitzkissen ist vom Sanitätshaus wohl schon seit dem Sommer bei der Kasse eingereicht. Ich frage mich, wo hapert es denn? Eine klare Aussage ist vom Sanitätshaus nicht zu bekommen. Nach wie vor alles ätzend! 2019 wird es von meiner Seite aus eine andere Lösung geben. Definitiv! Ich will mich nicht mehr länger hingehalten wissen. Dauert eh schon zu lange. Aber zuvor muss ich noch ein wenig recherchieren, damit der Wechsel dann auch tatsächlich reibungslos funktioniert. Interessanterweise mache ich mittlerweile die Erfahrung, dass es Menschen gibt, die diese „unendliche Rollstuhlgeschichte“ kaum glauben können und vielleicht (im Stillen) meinen Biss bei der Vertretung meiner Interessen vermissen lassen. Ich finde, ich habe alles mir Mögliche getan. Aber vielleicht habe ich irgendeine konstruktive Verhaltensweise nicht berücksichtigt. Keine Ahnung.

Pflegegraderhöhung?

Endlich mal was Positives. Durch meinen Einspruch, inklusive detaillierter Begründung, hatte es schließlich Ende September eine neue Begutachtung gegeben. Meine Pflegeperson und ich hatten dieses Mal den Eindruck, dass alles sehr gut gelaufen ist. Wir konnten seitens der Pflegefachkraft einige Male die Worte „Pflegegrad 3“ und „angemessen“ zwischen den Zeilen raushören. Ohne das endgültige Ergebnis zu kennen, habe ich mich am Ende der Begutachtung bei der Dame bedankt. Bedankt deswegen, weil ich das Gefühl hatte, von ihr in meiner MS-Situation tatsächlich gesehen und ernstgenommen worden zu sein. Das war ja bei der ersten Begutachtung überhaupt nicht der Fall. Als ich nach drei Wochen noch keinen Bescheid im Briefkasten vorfand, rief ich bei der Pflegekasse an. Gottvertrauen hin oder her, gutes Gefühl hin oder her, ich wollte Klarheit haben, die sehr zu meiner Beruhigung beigetragen hätte. Und tatsächlich, meinem Einspruch gegen die Nicht-Höherstufung vom April wurde durch die erneute Begutachtung stattgegeben. Allerdings habe ich bis jetzt (Mitte November) nichts Schriftliches darüber. Kenne das Gutachten also nicht im Detail.
Hier kommt noch was Erfreuliches im Zusammenhang mit der Höherstufung: Diese gilt ab Antragstellung, das heißt ab März dieses Jahres. Prima! Ein unverhoffter kleiner Geldregen. Ist auch mal schön.

Kleine Kurzurlaube gefällig?

In diesem (schwierigen) Jahr war aber nicht alles nur grau in grau. Im Mai verbrachte ich mit zwei tollen Frauen einige Tage in dem Künstlerdorf Worpswede, im Sommer besuchte ich jeweils eine Bekannte für kurze Zeit in Frankfurt und in Hamburg, bevor ich im Herbst an einem sehr interessanten Seminar von der GGB (Gesellschaft für Gesundheitsberatung) in Lahnstein teilnahm, begleitet von einer sehr guten Freundin. Es ging um Gesundheit im Allgemeinen und natürlich um gesunde Ernährung (vitalstoffreiche Vollwertkost nach Dr. Max Otto Bruker). Sehr spannend, das ganze Seminar! Und die Verpflegung war total lecker. Vielleicht gibt’s da mal einen Artikel drüber. Mal sehen.

Übrigens, Dr. Bruker und Dr. Evers (Begründer der ehemaligen Eversklinik) kamen seinerzeit aus demselben Stall und waren mit ihren Ernährungserkenntnissen bei MS vielen Hochglanzmedizinern schon immer weit voraus!

Gibt’s noch mehr Positives?

Oh ja, kleine Nadelstiche mit famoser Wirkung. Im September hatte ich eine Session von zehn Mal Akupunktur in der Gemeinschaftspraxis meiner Hausärztin. Bei einer Kollegin, die es von der Pike auf in Asien gelernt hat. Ein Glücksgriff für mich. Das Gute an der ganzen Chose ist, dass diese Behandlung über die Krankenkasse abgerechnet werden konnte. Endlich mal eine effektive therapeutische Maßnahme, die ich nicht aus eigener Tasche finanzieren muss. Und es hat mir wirklich was gebracht. Mein desolater Energiespeicher konnte wieder gut aufgefüllt werden, was sich ganz deutlich in einer stabileren Alltagsbewältigung zeigt. Die vielen Schmerzen in Rücken, Leiste und Co. sind leider nicht in Gänze weg. Schade. Aber meine Laune ist besser, und meine „Lebenskraft“ unterstützt mich wieder in größerem Umfang als noch vor Monaten.

Raus aus dem Schneckenhaus

Ja genau, es geht wieder rein ins volle Leben. Na ja, nicht zu 100 Prozent. Das wäre auch ein bisschen plötzlich, aber ich bin auf einem guten Weg. Es sind bei Weitem noch nicht alle offenen Baustellen abgearbeitet, aber es bewegt sich was. Und wenn ich mich mal wieder um eine schwierige, unangenehme Angelegenheit kümmern muss, dann gerate ich wenigstens nicht mehr in eine Art Schockstarre. Diese Schockstarre, die schlussendlich noch vor wenigen Wochen meist zu einer „Arbeitsverweigerung“ meinerseits geführt hatte.

Großbaustelle „KG am Gerät“

Eine große Baustelle belagert allerdings seit Juni noch mein Leben. Leider! Von jetzt auf gleich erhielt ich kein weiteres Rezept mehr für „KG am Gerät“, um mein wöchentliches Lauftraining (mit dem LokoHelp®) zu absolvieren. Im Blickpunkt 01/2017 hatte ich meine positiven Erfahrungen mit dieser Form der Therapie beschrieben. Alle meine Ärzte (Hausärztin, Orthopäde, Neurologe) können mir besagtes Rezept nun nicht mehr ausstellen, sagen sie. Die Begründungen sind durchaus vielfältig. Verstehen tue ich sie unterm Strich aber nicht. Der Orthopäde gab gleich gar keine, sondern lehnte ohne viele Worte ab. Hat vielleicht damit zu tun, dass im Heilmittelkatalog der Krankenkassen kein Lauftraining für Rollstuhlfahrer vorgesehen ist? Oder vielleicht auch keine Krankengymnastik am Gerät? Tja, wer weiß schon, was in den Köpfen der sogenannten Verantwortlichen, die zu bestimmen haben, vorgeht. Die Argumentation der Krankenkasse diesbezüglich finde ich ziemlich lausig und ist mir überhaupt nicht schlüssig. Jeder Laie weiß heutzutage, dass Bewegung (in welcher Form auch immer) für alle Menschen wichtig ist. Und anstatt dass man froh ist, dass auch nicht laufende Personen dank eines speziellen Gerätes wieder für eine gewisse Zeit aufrecht laufen können, wird mir dies als Rollstuhlfahrerin verwehrt. Ätzend! Und diskriminierend! Ich habe diese ganze Sache an einen Anwalt übergeben, weil ich mich mit meiner Kasse darüber nicht sachlich und ruhig auseinandersetzen könnte. Da muss jetzt ein Fachmann ran.

Rettung naht

Um aber in der langen (!?) Übergangszeit, bis es eine anwaltliche Klärung gibt, meine Beinmuskulatur nicht gänzlich zu verlieren, und als Resultat durch die erzwungene Passivität gar nichts mehr auf die Reihe zu kriegen, beiße ich in den sauren Apfel und bezahle das Laufbandtraining aus eigener Tasche. Aber nur alle paar Wochen. Für ein regelmäßiges Training fehlt mir ganz einfach das nötige Kleingeld.
Glücklicherweise las ich im letzten Blickpunkt von der Falk-Stiftung. Danke an dich, Bernd, für diese Kooperation! Den Kontakt habe ich postwendend hergestellt und angefragt, ob mein Anliegen förderungsfähig ist. Ziemlich schnell gab es daraufhin ein längeres (sehr nettes) Telefonat mit einem Stiftungs-Hauptverantwortlichen. Kaum hatte ich die notwendigen Papiere ausgefüllt und dort eingereicht, kam auch schon die positive Antwort. Man wird für eine gewisse Zeit die Kosten für das Lauftraining übernehmen und dann mal weitersehen. Toll! Im nächsten Blickpunkt wird es Detailliertes darüber geben. Hier an dieser Stelle aber schon mal einen großen Dank an die lieben Stiftungsmenschen für die flotte und unbürokratische Abwicklung!

Und was sagen mir all meine Erlebnisse aus diesem turbulenten Jahr?

Immer dranbleiben! Mich von anderen nicht für doof verkaufen lassen, von meinem Vetorecht Gebrauch machen und mich nicht beirren lassen, wenn ich einen Sachverhalt eben ganz anders sehe und bewerte. Und meine Lebenssituation immer objektiv (!) im Blick behalten, um mir an den richtigen Stellen Hilfe zu holen. Leichter gesagt als getan! In den vergangenen Monaten habe ich viel geweint und oftmals an meiner Sichtweise der Dinge gezweifelt. Aber es hat sich gelohnt, so viel Kraft und Energie in die Sachen reingesteckt zu haben.
Ein Dankeschön an die anwaltliche Unterstützung bei der Ausformulierung meiner Einspruchsbegründung für die Pflegegradhöherstufung. Einen erneuten Dank an die MSK-ler, die mir durch ihre Rückmeldungen mitgeteilt haben, dass sie ganz ähnliche Erfahrungen mit meinen angesprochenen Themen gemacht haben. Und nicht zuletzt ein Dankeschön an all die anderen, die mein Wohlergehen immer im Blick haben und mich manchmal zu meinem Glück zwingen müssen. Vielleicht brauchen wir manchmal Menschen, die uns in eine gute Richtung schubsen.

In diesem Sinn wünsche ich uns allen einen guten Übergang in 2019.

Herzlichst Ihre
Petra Orben