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Initiative Selbsthilfe Multiple Sklerose Kranker e. V.

Mein Rendezvous mit dem Roboterarm - Erfahrungen mit dem Thema Robotik in der Pflege

Brigitte Himmelstoß, Blickpunkt-Ausgabe 03/2023

Das Projekt und wie ich dazu kam

Durch meine Physiotherapiepraxis hatte ich von der Versuchsreihe „Experimente zur Benutzerschnittstelle für Assistive Roboterarmsteuerungen“ der Uni Bremen, genauer dem Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz GmbH (DFKI), im Rahmen des aktuell laufenden BMBF-Verbundprojekts AdaMeKoR erfahren. Hier wird allgemein an einem Mehrkomponenten-Robotersystem geforscht, das Pflegepersonen bei alltäglichen, körperlich belastenden Pflegetätigkeiten am und im Pflegebett unterstützen und Pflegebedürftigen mehr Autonomie und Lebensqualität ermöglichen soll. Dazu gehört auch ein Pflegelabor, in dem verschiedene Halte- und Stützfunktionen eines Roboterarms getestet werden, also etwa für den Bett-Rollstuhl-Transfer oder das Anreichen von Objekten.

Ich benutze einen elektrischen Rollstuhl, und meine Hände kann ich auch nicht mehr ganz so gut bewegen. Eigenständigkeit ist mir also ein dringendes Anliegen. So habe ich mich telefonisch für die Studie angemeldet und wurde wenige Tage später in der entsprechenden Fakultät wirklich sehr herzlich empfangen. Innerhalb der nächsten Stunde sollte ich dann einen Roboterarm mit zwei unterschiedlichen Eingabegeräten (Sprachsteuerung und 3D-Maus, auch SpaceMouse genannt) dazu bringen, Holzklötze zu bewegen, in einen Becher Wasser einzuschenken und den Becher anzuheben, so wurde es mir von der Versuchsleitung erklärt.

Und so war mein erstes Rendezvous

An dem Tag war es ziemlich heiß, und die Versuche mit der Sprachsteuerung waren wohl auch deshalb anstrengend, weil sie bei geschlossenen Fenstern stattfinden mussten, da sonst der Lärm von draußen den Versuch beeinträchtigt hätte. Ich konnte mich damit nicht wirklich anfreunden, auch weil ich das Lernen der Befehle, das Aussprechen an passender Stelle und das Koordinieren schwierig fand – nach ein paar Tagen kann man das aber sicher ganz gut bewerkstelligen. Man muss allerdings auch ganz deutlich und akzentuiert sprechen, sonst wird aus dem Befehl „Arm heben“ ganz schnell eine Frage nach „Armenien“. Das birgt Frustrationspotenzial!
Das Bewegen des Roboterarms mit der SpaceMouse erwies sich dagegen als sehr cool und intuitiv –wirklich sehr spannend.

Nach dem praktischen Teil hatte die Versuchsleitung noch einen Fragebogen für mich, in dem es etwa um die bisher gemachten Erfahrungen mit Robotern oder der Sprachsteuerung wie Alexa ging (keine), ob mir die Steuerung über die SpaceMouse zu anstrengend gewesen war (war sie nicht), und wie erfolgreich sich die Bewältigung der Aufgaben angefühlt hatte (sehr erfolgreich). Entsprechend fand ich die Lösung mit der SpaceMouse am besten, mit der Sprachsteuerung kommt man sich doch ein bisschen so vor, als kommandiert man eine fremde Person herum – das ist nicht mein Ding. Die Frage, ob der Roboterarm komplett autonom agieren oder von mir gesteuert werden sollte, konnte ich allerdings klar mit letzterem beantworten – denn alles, was ich delegiere, fordert mich auch nicht mehr. Und wenn ich nicht gefordert werde, baue ich ab, so einfach ist das.

Mein Fazit

Im persönlichen Umfeld bin ich bisher auf unterschiedliche Resonanz zu dem Thema gestoßen, manch einer hält einen liebevoll unterstützenden Arm für die bessere Wahl. Die Realität sieht allerdings angesichts der angespannten Situation im Pflegebereich anders aus und über Selbstständigkeit geht mir persönlich gar nix! Ich freue mich also auf zügige Fortschritte in diesem Bereich.

Robotik in der Pflege: Das Projekt AdaMeKoR

Red. Das mit rund 1,8 Mio. Euro vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderte Forschungsprojekt AdaMeKoR (adaptives Mehrkomponenten-Robotersystem für die Pflege) entwickelt in Zusammenarbeit mit der Johanniter-Unfall-Hilfe e. V., der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg, der Universität Osnabrück und dem Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz GmbH (DFKI) in Bremen ein adaptives und multifunktionales Mehrkomponenten-Robotersystem zum Einsatz am Pflegebett. Ziel ist die Verbesserung der Arbeitsbedingungen von Pflegenden durch die Unterstützung bei alltäglichen, körperlich belastenden Pflegetätigkeiten am und im Pflegebett und die Gewährleistung von mehr Selbstständigkeit von pflegebedürftigen Menschen. Ein bereits als Medizinprodukt zugelassener Roboterarm wird dabei am Nachttisch befestigt und kann, wie eine Art dritte Hand, auf Anweisung der Pflegebedürftigen bewegt werden, um etwa ein Getränk einzugießen oder Gegenstände heranzuholen. Die Steuerung des Arms soll dabei so verfeinert werden, dass er intuitiv und auch mit starken Einschränkungen einfach zu bedienen bleibt. Ein zweiter Roboterarm, etwa in ein Pflegebett integriert, soll das Pflegepersonal bei anstrengenden Umlagerungen und Hebetätigkeiten am Bett entlasten. Um auch eine Akzeptanz für diese Art von Unterstützungssystemen zu erhalten, werden Pflegekräfte und Pflegebedürftige gleichermaßen zu ihrer Technologieaffinität befragt. Das vierjährige Projekt (2020–2023) steht kurz vor dem Abschluss.

Quellen