Einer von 53.500
Martin Honcu, Blickpunkt-Ausgabe 01/2024
Wenn ihr an den Januar zurückdenkt, welche Sportarten fallen euch da ein? Vielleicht Langlauf, Slalom, Skispringen, Biathlon oder Eishockey? Mit Sicherheit jede Menge Wintersportarten – doch es gab ein Event, das jede Menge Rekorde gebrochen hat, nämlich die Handball-EM der Männer im eigenen Land. So wurde am Eröffnungstag am 10.1.2024 mit 53.500 Zuschauer*innen im Düsseldorfer Fußballstadion ein nie vorher dagewesener Besucherrekord aufgestellt. Und dreimal dürft ihr raten, wer auch da war. Zum Beweis sieht man mich auf dem Bild mit dem EM-Maskottchen Hannibal. Von daher möchte ich euch in dieser Ausgabe gerne Rollstuhlhandball vorstellen.
Die inklusive Form des Handballsports ist bereits seit Jahren weltweit im Turnierbetrieb unterwegs. Rollstuhlhandball kombiniert innovativ den komplexen Umgang mit dem Handball und dem Sportrollstuhl. Das bedeutet nicht nur für jede*n Sportler*in eine Herausforderung an Geschicklichkeit, auch geübte Handballer*innen erleben ihren Sport mit neuem Reiz. Schnelligkeit, Spaß, Kampfgeist und Fitness machen die Faszination dieses modernen Sports aus.
Sensationell dabei ist, dass junge und ältere Menschen, Männer und Frauen mit und ohne Behinderung gemeinsam in den Genuss des Spiels kommen können. Aufgrund der Spielweise lässt Rollstuhlhandball sogar Menschen mit schweren Einschränkungen mitspielen, ohne dass jemand davon etwas bemerkt.
Meine Fragen zum Rollstuhlhandball beantwortete Dr. Meike Lüder-Zinke, Fachbereichsleitung Rollstuhlhandball im Deutschen Rollstuhl-Sportverband DRS.
Seit wann gibt es Rollstuhlhandball in Deutschland?
2014 entstand in der Rollstuhl-Sportgemeinschaft Hannover’94 e. V. die inklusive Rollstuhlhandball-Mannschaft „RSG Blue Bandits“ aus Sportler*innen jeden Alters mit und ohne Behinderung. Mit der Gründung des Fachbereich Rollstuhlhandball beim Deutschen Rollstuhl-Sportverband (www.drs.org) durch die Vereinsvorsitzende Dr. Meike Lüder-Zinke im Jahr 2018 wurde gesellschaftliche Verantwortung übernommen und das Ziel verfolgt, den internationalen Sport in Deutschland zu etablieren.
In diesem Rahmen wurde ein offizielles deutsches Regelwerk verabschiedet, eine deutsche Webpräsenz (www.rollstuhlhandball.de) geschaffen, zwei internationale Rollstuhlhandball-Meisterschaften in Hannover ausgerichtet und eine digitale Community mit regelmäßigen Netzwerktreffen gebildet, welche bundesweite Aufbauarbeit leistet. In der weiteren Entwicklung von Rollstuhlhandball in Deutschland wurden neue Mannschaften gebildet, sportliche Strukturen ausgeweitet und ein Expertenrat ins Leben gerufen.
Wieso ist Rollstuhlhandball eine inklusive Sportart?
Sport bedeutet für viele Leidenschaft. Bestenfalls sind dabei die Bedingungen für alle gleich und ohne Einschränkungen. Im Rollstuhlhandball wird diese Vision gelebt. Durch die Spielweise kann eine gleichberechtigte Teilhabe aller ermöglicht und die Vielfältigkeit in der Gesellschaft unterstützt werden, sodass alle mit gleichen Chancen und Rechten durch den Sport miteinander verbunden sind. Hier kann der Inklusionsgedanke also vollumfänglich umgesetzt werden.
Was sind die wesentlichsten Unterschiede zum „normalen“ Handball?
Rollstuhlhandball ist die inklusive Form des Handballs. Alle Spieler sitzen in einem Sportrollstuhl – und damit niemand in die Versuchung kommt aufzustehen, sind die Oberschenkel fixiert. Die Tore sind auf 1,70 m abgehängt (die normale Torhöhe beträgt 2,0 m), es wird mit einen Handball Größe 2 gespielt, es gibt keinen Kreisläufer und von daher nur 5 Feldspieler plus Torwart, es wird nicht gewachst und die Spielzeit ist auf 2 x 20 Minuten begrenzt.
Wo steht der deutsche Rollstuhlhandball aktuell?
Zurzeit befindet sich der Rollstuhlhandball in Deutschland im Vorrundenturnierjahr, das zur Qualifikation für den ersten deutschen Spielbetrieb in der Saison 2024/25 dient. Der erste eigentliche Spielbetrieb startet im Herbst dieses Jahres mit maximal acht deutschen Rollstuhlhandball-Mannschaften. Die Teams kommen aus ganz Deutschland, wobei die Liga-Turniere bevorzugt regional ausgetragen werden sollen.
Was ist in Zukunft noch geplant?
Die nächsten wichtigen Schritte sind der kontinuierliche Ausbau des Breitensports im Rollstuhlhandball, der Aufbau eines Lehr-, Trainer- und Schiedsrichterwesens im deutschen Rollstuhlhandball, die Bildung einer Nationalmannschaft sowie die Mitarbeit auf internationaler Ebene.
Fazit
Rollstuhlhandball spielen macht sehr viel Spaß, aus dem Grunde baue ich gerade in Darmstadt eine Mannschaft für den Ligabetrieb auf. Wer mehr wissen möchte, dem empfehle ich die Seite www.rollstuhlhandball.de, da findet ihr immer die neusten Infos. Unter der Rubrik „Nationales“ im Unterpunkt Mannschaften seht ihr auch, wo es bereits in Deutschland Teams gibt und wie ihr diese kontaktieren könnt – u. a. auch den VSG Darmstadt 1949 e. V., bei dem ich Rollstuhlhandball spiele.