
Der Räuchermacher
Christian Wingrove-Rogers, Blickpunkt-Ausgabe 02/2025
Folgt man der roten Schotterpiste von der Stadt zum Tempel, durch dichten Regenwald, vorbei an Reisfeldern, Wasserbüffeln und Ochsen,
kommt man schließlich zu einer kleinen Siedlung am Fuß des Tempelbergs, und wird dort sehr wahrscheinlich ein leises, rhythmisches, durchaus auch unangenehmes, weil für die Umgebung ungewohntes Geräusch wahrnehmen können. Dieses dumpfe, mechanische Geräusch scheint von einer Lichtung am Rand des Regenwaldes zu kommen.
Es ist das Geräusch eines alten Zweitakt-Benzinmotors. Als Teil einer außergewöhnlichen, geradezu verblüffenden Konstruktion wurde dieser auf einen niedrigen, robusten Tisch montiert und mithilfe von Rädern und Stangen mit zwei verbeulten rechteckigen Metallkisten verbunden. Die obere, groß wie ein Reisekoffer, dient als Trichter, während die untere, das Herzstück der Konstruktion, etwas kleiner ist und an der Unterseite mit einer leicht nach unten gewölbten Öffnung versehen ist. Beide wurden am Ende einer langen glatten Metallbank befestigt.
Auf einem Holzschemel steht ein kleiner, nur mit einem Lendenschurz bekleideter kräftiger Mann und gibt aus einem Blecheimer eine Mischung aus Kräuterpulver, gemahlener Rinde und süß duftendem Öl in den Trichter. Danach bündelt er eine Handvoll dünner Stäbchen, klopft sie noch einmal an einer Seite auf dem Tisch zurecht und legt sie dann auf ein Tablett, das er in die untere Metallkiste schiebt. Anschließend beugt er sich vor, schaut in die Kiste, glättet und arrangiert die Mischung noch einmal mit der Hand und legt dann, ohne hinzuschauen, einen Hebel um. Sogleich drehen sich die Räder und die ganze Vorrichtung beginnt zu vibrieren. Die Geräusche des Motors und der sich drehenden Räder verbinden sich zu einem rhythmischen Pulsieren, das die gesamte Lichtung erfüllt.
Der Mann beobachtet nun ganz ruhig, wie dieses verrückte Konstrukt, so erscheint es zumindest dem unbedarften Reisenden, ein oder zwei Minuten lang seine Arbeit verrichtet, entnimmt dann die mit der Essenz überzogenen Stäbe und verteilt sie auf der Metallbank. Dann sammelt er sie ein und trägt sie vorsichtig zu einem zwischen vier Bambuspfählen aufgespannten Tuch, um sie dort zum Trocknen auszulegen.
Seit er groß genug war, um auf dem Holzschemel zu stehen, stellte er die Räucherstäbchen her. In all den Jahren, in denen er hier am Fuß des Tempelbergs lebte, gab es weder für ihn noch für die Maschine, die er immer wieder repariert oder umgebaut hatte, einen Tag der Untätigkeit. Auch hatte er nicht einmal sein Dorf verlassen oder war jemals zum Tempel hinaufgegangen.
Jeden Tag kommt einer der Mönche vorbei, um die Räucherstäbchen abzuholen und um ihm Essen zu bringen. Sie sind es, die ihm Mitgefühl, sogar Liebe zeigen und ihm das Herz erwärmen. Die meiste Zeit aber ist er allein – mit der Maschine, mit ein paar Hunden aus dem Regenwald, mit seinen Gedanken und mit seinen Träumen.
Als ich ihn zum ersten Mal sah, fütterte er gerade einen dieser Hunde aus der Schüssel, die ihm ein Mönch gebracht hatte. Er bemerkte mich nicht; und wenn doch, ignorierte er mich, bis er den Hund gefüttert und die Maschine ihre Arbeit verrichtet hatte. Für ihn war ich nur ein weiterer Pilger auf dem Weg zum Tempel – wenige kamen hier vorbei, und sie hielten meist nur kurz an, um seine Maschine zu bestaunen.
Es war Vormittag. Niemand sprach, weil wir die Sprache des anderen nicht kannten – aber es schien auch nicht notwendig zu sein. Ein Mönch hatte mir zuvor seinen Hut geschenkt, den ich trug – er konnte also sehen, dass ich meinen Weg kannte, und nickte mir deshalb einfach zu, lächelte und ging weiter seiner Arbeit nach.
Gelassen und anmutig bewegte er sich um seine Maschine, drehte Griffe hier und zog dort ein paar Schrauben an oder legte liebevoll die fertigen Stäbe zu Trocknen aus. Es hatte etwas Mystisches, und ich fragte mich, wie und wann er sich wohl mit seinem Platz in der Welt arrangiert hatte. Vielleicht hatte er die Umstände auch nie in Frage gestellt oder sich anderes gewünscht. Dass ich damit meine Vorstellung von einem zugeteilten Schicksal auf andere projizierte, die sich und ihr Dasein vielleicht völlig anders definierten, war mir bewusst – und trotzdem konnte ich nicht umhin, mich zu fragen, was er wohl dachte und wovon er träumte.
Am Tor zum Tempel saß ein blinder Mann mit einigen Räucherstäbchenbündeln auf seinem Schoß, neben sich eine Schale mit Geld. Weiter vorne sah ich eine Frau mit einem dünnen, kranken Kind. Auch bei ihr gab es Räucherstäbchen. Ich kaufte bei beiden.
Schmetterlinge zogen durch die Lüfte, Vögel sangen, und ein angenehm kühler Wind wehte durch die Baumwipfel. Neben dem Weg rauschte ein Bergbach in seinem felsigen Bett. Die Stufen waren zwar unregelmäßig, der Aufstieg aber nicht beschwerlich. An jeder kleinen Statue am Wegesrand hielt ich an und steckte ein brennendes Räucherstäbchen in das dafür vorgesehene Sandgefäß.
Als ich mich umdrehte und über die Ebene und den Regenwald bis hin zu den Bergen am Horizont blickte, wurde mir klar, wie weit ich in dieser letzten Stunde tatsächlich gegangen war. Auch das Dorf war von hier aus nicht mehr zu sehen.
Auf der letzten Stufe vor der Haupthalle des Tempels steckte ich auch mein letztes Räucherstäbchen in das bereits übervolle Gefäß – andere Pilger waren bereits vor mir dagewesen und auch ihre Räucherstäbchen brannten noch.
Ich trat zurück, um die leuchtenden Farben, die Schönheit und die Präsenz einer großartigen Buddha-Statue aus Gold zu bewundern, sah die Rauchschwaden der Räucherstäbchen im Licht und folgte ihnen mit den Augen, als sie über das Tempeldach und schließlich in den Himmel aufstiegen. Wie Träume, seinem Atem gleich, wie die Fäden seiner Gedanken – die Träume und Gedanken eines Mannes, der keine anderen Spuren hinterlassen wollte als diese.
Auf meinem Rückweg vom Tempel kaufte ich noch einmal Räucherstäbchen, dieses Mal von einer Frau aus dem Dorf, und während ich jetzt hier sitze und dies aufschreibe, bin ich erfüllt von ihrem süßen Duft.