
Energiemanagement bei Fatigue – im Einklang mit den eigenen Kräften
Heike Führ, Blickpunkt-Ausgabe 03/2025
Fatigue ist mehr als nur Müdigkeit – es ist ein Erschöpft-Sein, das den ganzen Körper und Geist umfassen kann. Wer Fatigue kennt, weiß, dass selbst kleine Erledigungen wie Einkaufen, Duschen oder ein Gespräch/Telefonat plötzlich wie ein Marathon wirken können. Das Gefühl, nicht mehr „funktionieren“ zu können, bringt oft auch Schuldgefühle mit sich. Doch es ist wichtig, sich daran zu erinnern: Fatigue ist keine Schwäche – sie ist ein Symptom, das ernstgenommen werden muss. In solchen Momenten ist es wichtig, das eigene Energiemanagement neu zu definieren und zu gestalten.
Kleine Schritte, große Wirkung
Das bedeutet, die vorhandene Kraft bewusst einzuteilen: Pausen sind kein Luxus, sondern Notwendigkeit. Aktivitäten lassen sich oft in kleine Einheiten aufteilen, sodass auch Zwischenschritte als Erfolge spürbar werden. Es geht darum, sich zu erlauben, langsamer zu gehen – und darin eine neue Form der Stärke zu finden.
Energiemanagement bedeutet auch, den eigenen Körper und seine Signale zu achten. Nicht jeder Tag ist gleich, und es ist in Ordnung und sehr wichtig, die eigenen Grenzen ernst zu nehmen. Statt ständig über sie hinauszugehen, darf man sich Schonung zugestehen, um für die wirklich wichtigen Momente Kraft zu haben. Es bedeutet nicht, möglichst viel aus sich „herauszuholen“, sondern liebevoll und achtsam mit den vorhandenen Kräften und Ressourcen umzugehen.
Inneres und äußeres Gleichgewicht – was ist Pacing?
Aufgrund der symptomatischen Belastungsintoleranz bei Fatigue ist ein schonender Umgang mit den eigenen Energieressourcen notwendig, um eine Überlastung zu vermeiden. Sogenannte Crashs (also die Belastungsgrenze fällt stark ab und Symptome wie Kopfschmerzen, grippeartige Beschwerden oder Schwindel verstärken sich), die bei der Fatigue üblich sind, gilt es also in Häufigkeit und Schwere zu reduzieren. Dieses Aktivitäts- und Energiemanagement ist unter dem englischen Begriff „Pacing“ bekannt und bedeutet in etwa, sich selbst das richtige Tempo vorzugeben.
Es gibt hier keine Regeln oder Ziele, stattdessen geht es darum, den eigenen Zustand zu stabilisieren, es geht um Balance: kleine Schritte, bewusstes Einteilen und das Zulassen von Pausen. Es ist keine Schwäche, mit der Energie hauszuhalten, sondern ein Akt der Selbstfürsorge und Selbstachtung. Wer Fatigue kennt, weiß: Jeder Schritt, so klein er auch erscheinen mag, ist ein Zeichen von Mut und Stärke.
Wie betreibe ich ein ausgeklügeltes Energiemanagement?
Wichtig ist es, sich selbst gut zu kennen: seine eigenen Grenzen ebenso wie die Stärken. Mit diesem Wissen kann man sich selbst beim „Jonglieren“ helfen! Wenn ich weiß, dass mich Einkaufen enorm anstrengt und erschöpft, dann plane ich es so, dass ich mich vorher gut ausruhen kann und anschließend ebenfalls genug Zeit habe, um mich hinzulegen. Die Einkäufe packe ich beispielsweise schon im Laden in unterschiedliche Taschen: Das, was sofort weggeräumt werden muss (wie frische Sachen für den Kühl- oder Gefrierschrank) und Dinge, die auch morgen noch in Ruhe weggeräumt werden können. So kann ich dann zuhause nach dem Einkauf bis auf die frischen Sachen alles stehenlassen. Und das ist ok! Das dürfen wir uns immer wieder sagen. Denn: Fatigue ist willentlich NICHT beeinflussbar! Aber wir können der Fatigue mit dem Energiemanagement manchmal ein Schnippchen schlagen und gut vorsorgen.
Wenn ich beispielsweise weiß, dass ich nach mittags zum Kaffee eingeladen bin, ist es ähnlich: striktes (!) Ausruhen vorher und nachher. Mir fällt das gar nicht schwer, da ich weiß, dass ich überhaupt nur so am sozialen Leben teilhaben kann (und auch aus genau diesem Grund bin ich u. a. in der Erwerbsminderungsrente). Das heißt also: Planen ist unausweichlich notwendig und vor allem sehr sinnvoll.
Kommunizieren
Zu einem ausgeklügelten Energiemanagement gehört für mich auch, über die Fatigue zu sprechen. Sei es mit dem Partner*in, Freunden oder auch Kolleg*innen. Eine offene, ehrliche Kommunikation ist immer sinnvoll und hilft anderen, uns besser zu verstehen und sich auf die jeweilige Situation einstellen zu können. Denn wieder einmal ist die Fatigue ein unsichtbares Symptom: Wir sehen noch mitten im schwersten Fatigue-Anfall relativ normal aus. Deshalb ist Transparenz so wichtig.
Praktische Tipps für den Alltag
Das Energiekonto-Prinzip
Stell dir deine Kraft wie ein Konto vor. Jede Aktivität „kostet“ Energie, Pausen und Erholung „zahlen“ wieder etwas ein. Wichtig ist, nicht ins Minus zu gehen. Frage dich: Welche Aufgaben sind heute wirklich wichtig? Was kann warten?
Prioritäten setzen
Nicht alles muss sofort erledigt werden. Mache dir am Morgen oder Vorabend eine kleine Liste und markiere, was wirklich zählt. Weniger ist mehr – und jedes Häkchen ist ein kleiner Sieg.
Pacing – kleine Schritte statt Überlastung
Große Aufgaben lassen sich in kleine Einheiten aufteilen. Statt das ganze Bad zu putzen, wird heute nur das Waschbecken angepackt. Morgen vielleicht die Dusche. So bleibt Energie für anderes übrig.
Pausen planen, bevor die Erschöpfung kommt
Warte nicht, bis du völlig ausgelaugt bist. Kurze Pausen zwischendurch – mit geschlossenen Augen, tiefer Atmung oder einfach ein paar Minuten Ruhe – können verhindern, dass du „übertreibst“.
Energieinseln schaffen
Manchmal reicht ein Lied, ein kurzer Spaziergang an der frischen Luft oder ein Blick in die Natur, um den Tag ein wenig leichter zu machen. Diese kleinen Inseln sind nicht „Zeitverschwendung“, sondern wichtige Kraftquellen. Jeder darf für sich selbst herausfinden, was wirklich guttut und hilft.
Akzeptanz üben
Es gibt Tage, da ist kaum etwas möglich. An solchen Tagen darfst du dir selbst mit Sanftmut begegnen. Es ist keine Niederlage, sondern ein Teil des Weges. Auch Nichtstun ist aktive Selbstfürsorge. Die emotionale Seite beim Energiemanagement bei Fatigue heißt nicht, sich das Leben klein zu machen, sondern es bewusst zu gestalten. Es ist die Kunst, nicht gegen den Körper zu kämpfen, sondern mit ihm zusammenzuarbeiten.
Mut und Mitgefühl
Das alles braucht Mut – und Mitgefühl mit sich selbst. Jeder kleine Schritt zählt. Jeder Moment, in dem du auf dich achtest, ist ein Zeichen von Stärke. Du bist nicht allein mit dieser Erschöpfung – und du musst dich nicht daran messen, was andere schaffen. Dein Weg ist einzigartig, und du gehst ihn in deinem Tempo. Erlaube dir, Pausen zu machen. Erlaube dir, Grenzen zu setzen. Erlaube dir, dich selbst wichtig zu nehmen. Das ist kein Aufgeben – das ist gelebte Selbstliebe.
Von Herzen liebe Grüße und viel Gutes beim Üben des Energiemanagements, das so hilfreich ist!
Alles Liebe
Heike Führ