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Initiative Selbsthilfe Multiple Sklerose Kranker e. V.

„Lebe jeden Tag, als wäre es dein letzter!“

Heike Führ, Blickpunkt-Ausgabe 03/2022

Ich mag ja Sprüche und Zitate, und wenn sie für mich stimmig sind, dann erstelle ich auch sehr gerne Grafiken und poste sie auf meinem Blog bzw. auf meiner Facebook-Seite. Von meinen vielen Followern weiß ich, dass sie es lieben, wenn mein „Guten-Morgen-Gruß“ mit einem stimmigen Spruch einhergeht, eben weil man sich oft auch gut darin wiederfinden und ihn als Impuls, Anregung und Motivation für den Tag begreifen kann. Dieses tägliche Feedback wiederum motiviert mich, besonders schöne Zitate auszusuchen oder auch mal welche selbst zu kreieren. Das tut mir beim „kreativen Schaffen“ gut und den Leser*innen beim Lesen. Ich stöbere also viel im Netz und stolpere über das ein oder andere, das mir gefällt, mich nachdenklich stimmt, fasziniert oder auch irritiert. Und so purzelte ich über jenen Spruch: „Lebe jeden Tag, als wäre es dein letzter!“ „Jaaa“, war mein erster Gedanke – das Leben ist kurz, und man muss einfach jeden Tag so nehmen, wie er ist und das herausholen, was guttut. Mein direkter Gedanke danach war allerdings: „Um Himmels Willen!“

 Was würde ich tun wollen?

Ich stellte mir also vor, wie ein Gesunder wohl jeden Tag als den letzten des Lebens feiern würde. Was würde man da alles tun wollen? Und was wünschte ich als chronisch Kranke mir für einen letzten Tag?

Tausend Sachen fielen mir ein: meine Kinder, meine Familie und Freunde, meinen Hund sehen, sie drücken, küssen und mit ihnen reden. Abschied nehmen – gehört das auch dazu?
Ich würde gerne nochmal laut Musik hören und dazu tanzen, ein Happening aus diesem Tag machen. Ich würde ihn feiern wollen, diesen letzten Tag. Ohne Rücksicht auf „Nebenwirkungen“ würde ich sekttrinkend mit lieben Freundinnen anstoßen, hinaus in die Natur gehen und mich mit allen Sinnen dort erden.
Ich würde all das, was noch unausgesprochen ist, nun ansprechen. Würde Konflikte lösen wollen, um in Frieden „gehen“ zu können. Ich würde Telefonate führen, mich bei einigen Menschen aus tiefstem Herzen bedanken, ich würde Briefe an meine Kinder und einige ganz enge Freunde schreiben. Ich würde mit meinem Hund toben und kuscheln. Ich würde vielleicht noch einen tollen Ausflug zum Meer machen. Ich würde...ja, all das und noch viel mehr würde ich tun wollen.

Gar nicht so einfach!

Nun löse ich mich mal von meinen Wünschen und übertrage diese in die Realität. Abgesehen davon, dass ich das alles als chronisch Kranke gar nicht an einem Tag schaffen würde (das würde auch ein Gesunder nicht schaffen), würde mich diese Fülle erschlagen: körperlich, mental, seelisch.
Sähe ich nun also jeden Tag als meinen letzten an, würde ich mich CHRONISCH überfordern und hätte mit Sicherheit mit der fiesen „Quittung der Krankheitsverschlechterung“ zu kämpfen, sodass ich dies sowieso nur EINMAL schaffen würde! 😉

Ich zwinkere, weil dies philosophische Gedanken sind, ein „Was wäre wenn…“!
Klar ist, dass wir so viele Aktivitäten niemals an einem Tag schaffen können, dass wir vermutlich schon nach den ersten zehn Minuten am Ende unserer geistigen und körperlichen Kräfte wären. Und trotzdem lohnt es sich, diesen Gedankengang festzuhalten.

Aus Wünschen Realität machen…

Für mich bedeutet dieser Spruch mittlerweile Folgendes: „Lebe jeden Tag so, dass du viele Glücksmomente und ein erfüllendes Sein hast!“ Das kann vieles bedeuten: Sich zu freuen, dass man morgens wach wird und die kitzelnden Sonnenstrahlen oder leise prasselnde Regentropfen wahrnimmt. Dazu gehört auch ein Wahrnehmen des eigenen Zustandes in diesem Moment, der vielleicht alles andere als glücklich ist: spastische Beine, Fatigue, Koordinationsstörungen, Schwindel und vieles mehr.
Die Kunst ist nun, es wertfrei anzunehmen: hinschauen, wahrnehmen, abnicken. PUNKT! Mehr Beachtung hat dieser Zustand meiner Meinung nach nicht verdient.
Dann können wir uns überlegen, was wir heute vielleicht vorhaben oder was wir gerne im Rahmen unserer individuellen Möglichkeiten unternehmen möchten.
Es kann ein Tag werden, an dem wir nichts schaffen, bzw. dies so empfinden, weil wir so erschöpft sind – und doch ist auch das in Ordnung. Wir sind aufgewacht und haben diesen einmaligen Tag mit all seinen Schwierigkeiten gemeistert!

Vielleicht ist es aber auch ein Tag, an dem es uns so richtig gutgeht, wir voller Tatendrang sind. Dann sind wir vielleicht zum Frühstücken mit einer Freundin oder zu einem schönen Telefonat verabredet. Vielleicht können wir uns hinaus in die Sonne (oder den Schatten) setzen und die Natur genießen. Vielleicht können wir sogar abends noch etwas Schönes erleben, Musik hören oder einen tollen Film anschauen.

Jeder Augenblick zählt

Wir können unseren Tag FÜLLEN mit Gutem und Schönem, mit Glücksmomenten und angenehmen Dingen. Wir können üben, diese wunderbaren Augenblicke zu sehen, zu spüren und festzuhalten. Wir können erfüllt sein von solch einem Tag und abends dafür danken, dass wir ihn erleben durften!
Ich war beispielsweise heute Vormittag bei meiner Heilpraktikerin, was äußerst gut verlief. Auf dem Weg dorthin hatte ich noch enorm viel Zeit und habe diese genutzt, um dort auf einen Parkplatz zu fahren, auszusteigen und mich kurz an den Rhein zu setzen. Auszeit. Natur. Heilung von innen.

auszeit am rhein

Wir können lernen, aus jedem Augenblick den absolut BESTEN zu machen. Das fällt uns natürlich leichter, wenn es ein „guter“ Tag und ein positiver Augenblick ist, aber die Kunst für ein erfüllendes Leben ist es, auch in weniger guten Momenten das Beste aus dem Scherbenhaufen zu machen, ganz nach dem Motto: „Auch aus Steinen, die uns in den Weg gelegt werden, kann man noch etwas Schönes bauen!“ Ja, das kann man, wenn man seinen Fokus darauflegt und manchmal auch die Perspektive verändert. Und bereit ist, dies zu tun!
Schlechte Nachrichten vom Arzt? Nicht schön, manchmal gar niederschmetternd! Vielleicht kann man sich auf dem Nachhauseweg dann ein leckeres Eis gönnen und mit jemandem darüber reden!

Mein Fazit

Deshalb: Wir können nicht jeden Tag als den letzten unseres Lebens ansehen, das schafft niemand. Aber wir können versuchen, jeden Moment mit Gutem zu füllen, wir können uns in Gelassenheit üben und uns abends für den Tag bedanken. Das hilft nämlich, sich bewusst zu machen, was wir tatsächlich an Schönem erlebt haben und sei es nur ein freundliches „Hallo“ eines Nachbarn. Es lohnt sich so sehr, den Blickwinkel auf das Schöne zu richten und sich in Dankbarkeit zu üben.

Es bringt tatsächlich viel, sich auch einmal zu überlegen, was man tun würde, wenn es der letzte Tag wäre – also auf die eigenen Wünsche zu achten und sie endlich Wirklichkeit werden zu lassen…gestaffelt natürlich! 😉

Lassen Sie sich gerne darauf ein!

Es grüßt Sie mit philosophischen Gedanken

Ihre
Heike Führ