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Initiative Selbsthilfe Multiple Sklerose Kranker e. V.

Nadeln gegen den Schmerz: Was kann die Akupunktur?

Alexandra Manger, Blickpunkt-Ausgabe 2/2024
Bereits seit Jahrtausenden hat sich die Akupunktur in China als eine verlässliche Methode bewährt, um Gesundheit zu erhalten oder sie wiederherzustellen. Bei Schmerzen wird diese Methode von der Weltgesundheitsorganisation (WHO), führenden Akupunkturgesellschaften und mittlerweile auch in vielen Behandlungsleitlinien empfohlen. Betroffene empfinden die Akupunktur oftmals bereits nach der ersten Anwendung als wohltuend, entspannend und schnell wirksam.

Hintergrund und Geschichte

Akupunktur ist ein seit etwa 4.000 Jahren bestehendes alternatives Heilverfahren, das in China im Rahmen der Traditionellen Chinesischen Medizin (TCM) entwickelt wurde und dort sowie auch in Korea und Japan bis heute breite Anwendung findet. In der zweiten Hälfte des 20. Jh. wurde diese Behandlungsmethode dann auch in Europa bekannter. Heute wird sie meist ergänzend zur Schulmedizin eingesetzt. Das Wort „Akupunktur“ stammt aus dem Lateinischen und wird zusammengesetzt aus acus (die Nadel) und punctio (das Stechen).

Nach dem asiatischen Verständnis wird der Mensch von der Lebensenergie Qi durchflossen. Diese Energie strömt laut der TCM in den 12 Hauptleitbahnen, den sogenannten Meridianen, durch den Körper und ist an mehr als 700 Punkten dicht unter der Hautoberfläche etwa für feine Nadeln (Akupunktur) oder Fingerdruck (Akupressur) erreichbar. Nach eben dieser Lehre ist der Mensch gesund, wenn die Energie harmonisch fließt. Wird aber der Qi-Fluss gestört, z. B. durch Kälte, Wärme, falsche Ernährung oder psychische Faktoren, dann kann dies zu Krankheiten und Schmerzen führen. Die Akupunktur soll Blockaden des Qi-Flusses beseitigen, Selbstheilungskräfte aktivieren und somit die Gesundheit wiederherstellen.

In der Ära der Han-Dynastie (206 v. Chr.–221 n. Chr.) wurden erstmals Behandlungsmethoden der chinesischen Medizin (etwa Akupunktur oder Moxibustion) auch aufgezeichnet. Einer chinesischen Sage zufolge entdeckten aber bereits lange Zeit vorher in Kriegswirren Soldaten, dass alte Beschwerden verschwanden, wenn sie durch einen Pfeil getroffen wurden. Egal wie groß oder klein die Wunde war, die Beschwerden verschwanden danach auf unerklärliche Weise – und mit ihnen auch die organische Erkrankung. Daraus soll sich dann wohl die Idee der Akupunktur entwickelt haben.
In der Frühzeit waren die Nadeln aus Stein, später aus Knochen oder Bambus und mit der Entdeckung des Metalls konnte man sie dann auch u. a. aus Eisen oder Bronze herstellen. Inzwischen werden die Nadeln aus Gold, Silber oder auch Molybdän gefertigt.

Wie wirkt Akupunktur?

Neuere Studien deuten darauf hin, dass der Nadelstich neurobiologische Wirkmechanismen, etwa eine vermehrte Ausschüttung schmerzlindernder und stimmungsaufhellender Substanzen, in Gang setzen kann. Zu diesen Substanzen, die umgangssprachlich oft als „Glückshormone“ bezeichnet werden, gehören u. a. Serotonin, Dopamin und Endorphine. Durch die Stimulierung werden verschiedene Schmerzrezeptoren in Rückenmark und Gehirn aktiviert, was dann zu einer Schmerzlinderung führt. Laut der Deutschen Schmerzgesellschaft e. V. lässt sich die Wirkung der Körperakupunktur auf den Stoffwechsel im Gehirn mit Verfahren wie der funktionellen Kernspintomografie eindeutig nachweisen. So ist die Akupunktur etwa bei chronischen Wirbelsäulenleiden in ihrer Wirkung mit den herkömmlichen medizinischen Therapien vergleichbar, führt bei chronischen Kopf-, Rücken- und Gelenkschmerzen (z. B. infolge einer Arthrose) in drei von vier Fällen zu einer deutlichen und langanhaltenden Schmerzlinderung und ist somit fester Bestandteil einer multimodalen Schmerztherapie. Auch bei neurologischen Erkrankungen, psychischen Störungen, Magen-Darm-, Herz-Kreislauf- oder Hauterkrankungen wird sie von der WHO empfohlen.

Patient*innen verspüren z. B. bei drehender Stimulation das sogenannte Nadelgefühl, ein ziehendes oder wärmendes Gefühl, das von der behandelten Stelle ausgehen sollte. Eine Therapie ist dann erfolgreich und abgeschlossen, wenn nach der Lehre der TCM wieder ein Energiegleichgewicht hergestellt ist.
Grundsätzlich gilt allerdings auch: Je länger eine Erkrankung besteht, desto länger muss sie behandelt werden. Bei chronischen Erkrankungen zeigt sich etwa nach der 3. und 6. Sitzung eine positive Veränderung – Schmerzen reduzieren sich, auch der Schlaf wird ruhiger, das Allgemeinbefinden verbessert sich merklich und ein Zugewinn an innerer Kraft und seelischer Belastbarkeit ist deutlich spürbar. Haben sich nach der ersten Behandlungsserie Teilerfolge eingestellt, kann ein erneuter Therapieversuch nach einigen Monaten sinnvoll sein. Auch einzelne Behandlungen in gewissen Abständen („Erhaltungsakupunktur“) können den Erfolg auffrischen.

Sonderformen und weitere Verfahren

Elektro- und Laserakupunktur Bei der Elektroakupunktur stehen die Nadeln zur Verstärkung der therapeutischen Wirkung zusätzlich unter niedrigfrequentem elektrischem Strom. Bei dem in den 1970er-Jahren entwickelte Verfahren der Laserakupunktur lässt sich mit dem Einsatz von Linsen die Strahlenleistung auf einen kleinen Punkt konzentrieren. Das Verfahren zur Behandlung empfindlicher Körperregionen, bei Schwächezuständen, Nadelangst oder bei Kindern ist schmerzfrei und hinterlässt keine Schäden auf der Haut.

Augen-, Ohr- oder Handakupunktur

Bei der Augenakupunktur werden bestimmte Punkte gereizt, die besonders wirkungsvoll bei Augenerkrankungen sind. Die Ohrakupunktur (Aurikulotherapie) stimuliert mit besonders feinen Nadeln spezielle Punkte am Ohr, die Bezüge zu allen Organen des Körpers haben. Bei der Handakupunktur (etwa Su Jok) werden sehr kurze Nadeln mit einem speziellen Applikator wenige Millimeter tief in die Haut gestochen.

Schädelakupunktur nach Yamamoto (YNSA)

Diese auf neurologische Störungen und Schmerzlinderung ausgerichtete Variante der Akupunktur über ein Somatotop im Sinne eines Mikroakupunktursystems arbeitet mit sog. Basispunkten, die den Körperregionen zugeordnet sind und die sich in Punkte für den Bewegungsapparat und in Punkte für Sinnesorgane unterteilen.

Moxibustion/Nadelmoxa

Bei der Moxibustion (auch Moxa-Therapie, Moxa oder moxen) werden vorher definierte Punkte auf der Körperoberfläche entlang der Meridiane durch Erwärmen stimuliert. Das Erwärmen geschieht durch Hitze, die in unterschiedlicher Form vom Abbrennen des Moxakrauts herrührt. Moxakraut ist getrockneter Beifuß, eine Heil- und Gewürzpflanze, die hierbei langsam und gleichmäßig abbrennt und eine milde und tiefenwirksame Wärme erzeugt (siehe auch BP 2/2022). Dazu gibt es auch eine Variante mit der Nadel („heiße Nadel) – das Moxakraut wird hier (etwa mit Kegeln) an Akupunkturnadeln aus Metall befestigt, entzündet und die Wärme damit punktuell in den Körper gebracht.

Mögliche Nebenwirkungen und Kosten

Zu Beginn der Therapie können sich in manchen Fällen einzelne Symptome vorübergehend verstärken („Erstreaktion“), normalisieren sich dann aber schnell auch wieder. Gelegentlich kommt es auch zu kleinen Blutungen an der Einstichstelle, einem Nadelschmerz oder einer Müdigkeit im Anschluss an eine Behandlung, in der Regel ist das Verfahren aber nahezu frei von Nebenwirkungen.

Je nach Behandlungsdauer und -aufwand kostet eine Sitzung etwa 30–70 €. Bei chronischen Knie- und Lendenwirbelsäulenerkrankungen übernehmen die gesetzlichen Krankenkassen die Kosten, wenn die Leistung von qualifizierten Ärzt*innen mit Kassenzulassung und Zusatzbezeichnung Akupunktur sowie Abrechnungsbefugnis erbracht werden. Auf der Seite der Deutschen Ärztegesellschaft für Akupunktur e. V. (DÄGfa) gibt es etwa die Möglichkeit, direkt nach zertifizierten Therapeut*innen in der Nähe zu suchen. Private Krankenversicherungen erstatten je nach Vertrag Akupunktur im Rahmen einer Schmerzbehandlung. In jedem Fall ist es empfehlenswert, sich zunächst mit der Krankenkasse in Verbindung zu setzen. Auch eine private Zusatzversicherung kann eine Lösung sein – ansonsten wird als IGEL-Leistung direkt mit dem Betroffenen abgerechnet.
Die Möglichkeiten der Kostenübernahme (durch Stiftungen wie etwa die Falk-Stiftung für Gesundheit und Bildung oder die Nathalie Todenhöfer Stiftung o.Ä.) können Sie auch gerne direkt mit Dr. med. Christiane Fischer von der MSK e. V. unter 0157-35469070 besprechen.

Trigeminusneuralgie: Meine Erfahrungen mit Akupunktur

Jahrelang hatte ich nur leichtere Symptome, die ich sehr gut mit Johanniskraut lindern konnte. Auch entspannende Duschen haben mir immer sehr geholfen. Aber vor etwa drei Jahren hat sich alles verschlimmert. Vielleicht lag es an den Coronamaßnahmen, den Erkrankungen anderer und dem damit zusammenhängenden persönlichen Stress – wer weiß. Ach ja, und Weihnachten mitsamt dem ganzen Trubel war dann ja zu diesem Zeitpunkt auch noch. Die Schmerzen meldeten sich immer häufiger und stärker.

Ich wollte nicht sofort zu den vom Arzt empfohlenen starken Medikamenten greifen. Mir ist dann wieder mein Neurologe eingefallen, der meinte, dass man mit Akupunktur auch gute Erfolge erzielen kann, allerdings müsse dies selbst bezahlt werden. Diese Kosten scheute ich zunächst, auch weil der Erfolg ja auch nicht garantiert ist. Ich habe also erst einmal Tee- und Salbenformen von den Schüßler Salzen ausprobiert. Und es hat auch tatsächlich geholfen. Die Schmerzen waren zwar nicht komplett verschwunden, aber sie sind viel erträglicher geworden.

Ein Jahr später – es nahte wieder Weihnachten und es „ziepte“ wieder vermehrt. Nun wollte ich mit den vom Arzt empfohlenen Medikamenten beginnen und sollte erst einmal einen Termin zur Blutentnahme ausmachen. Wenn schon zum Arzt, dann doch vielleicht noch eine andere Möglichkeit ansprechen und ausprobieren, dachte ich mir. Ich hatte dazu extra meine Hausarztpraxis gewechselt – in der neuen Praxis wird Akupunktur angeboten. Beim Eingangsgespräch hieß es: „Ja, wird des Öfteren erfolgreich gemacht, hilft auch sehr gut, aber versprechen kann es natürlich keiner, dass es hilft.“ Gut, der Erfolg bei den schulmedizinischen Medikamenten ist ja auch nicht immer gesichert, dachte ich jetzt, und vor allem dauert es, bis der Pegel aufgebaut ist und es anschlägt.

An Akupunktur-Kosten kämen dann bei 10 Sitzungen je etwa 50 € auf mich zu, wurde mir gesagt, also waren das insgesamt gute 500 €, die es zu investieren galt. Auch eine Einstiegsuntersuchung und zusätzliche kleinere Extrakosten waren zu bedenken. Seit 2007 zahlen deutsche gesetzliche Krankenkassen zwar eine Akupunkturbehandlung – das allerdings nur im Rahmen einer Schmerztherapie der Lendenwirbelsäule oder der Kniegelenksarthrose (s.o.), wenn die Beschwerden länger als sechs Monate bestehen und die behandelnden Ärzt*innen oder Therapeut*innen eine Akupunkturausbildung nachweisen können. Alle anderen Akupunkturbehandlungen sind im Normalfall leider nicht Leistung der gesetzlichen Krankenkasse und müssen selbst bezahlt werden. Allerdings gibt es den einen oder anderen „Topf“, der fördert (s.o.). Auch könnte man sich durch die Bonusprogramme der jeweiligen Krankenkasse Gelder rückwirkend erstatten lassen oder eventuell über die Krankenzusatzversicherungen eine komplette Übernahme erwirken.

Ich machte also meine Termine aus und bereits nach etwa 2–3 Sitzungen fiel mir auf, dass ich viel besser durchschlafen konnte, tagsüber dann auch um einiges mehr Kraft und Ausdauer hatte, die ich auch in den Beinen spürte, besonders beim Gehen. Das hatte ich gar nicht erwartet. Und so langsam lösten sich immer mehr auch die Spannungen entlang des Trigeminusnervs. Nach Abschluss der Behandlung im zweiten Quartal 2022 kam dann auch die Rechnung für 10 Akupunktursitzungen plus Eingangsuntersuchung von insgesamt gut 500 €. Mir ging es zwar deutlich besser, Mitte 2022 habe ich aber (eigentlich mehr zur Sicherheit) noch einmal 2 Sitzungen für knapp 150 € ausgemacht.
Mittlerweile ist es mit den Beschwerden bei mir immer noch soweit gut, allerdings massiere ich jetzt regelmäßig in Eigenregie auch einige Akupressurpunkte. Auch eine ausgiebige Dusche bringt in der Regel bereits wieder sehr gute Erfolge. Warum nun die Krankenkasse eine Akupunktur-Behandlung bei Trigeminusbeschwerden von MS-Patient*innen nicht bezahlt oder sich zumindest daran beteiligt, ist mir nicht klar, denn man liest doch immer wieder auch in wissenschaftlichen Medien, dass sie eine gut wirksame alternative Behandlungsmethode darstellt. Aber wahrscheinlich ist das nur wie so oft eine Frage des Geldes. Aktuell läuft dazu übrigens auch eine Studie an der Charité Berlin.

Wie immer herzliche Grüße
Alexandra Manger

Quellen und weitere Informationen

Deutsche Ärztegesellschaft für Akupunktur e.V. (DÄGfA), Arztfinder, abrufbar im Internet unter www.daegfa.de/Themen/Patienteninfo/Akupunkturaerzte#/.
Deutsche Schmerzgesellschaft e. V. Schmerz und Akupunktur, abrufbar im Internet unter www.schmerzgesellschaft.de/patienteninformationen/ergaenzende-verfahren/schmerz-und-akupunktur#:~:text=Wie%20wirkt%20Akupunktur%3F,Patient%20auf%20der%20Liege%20entspannt.
Internisten im Netz. Akupunktur, abrufbar im Internet unter www.internisten-im-netz.de/fachgebiete/komplementaermedizin/naturheilkundliche-alternative-verfahren/akupunktur.html.
NDR Visite 29.8.2023. Akupunktur: Hilfe bei Schmerzen, abrufbar im Internet unter www.ardmediathek.de/video/visite/akupunktur-hilfe-bei-schmerzen/ndr/Y3JpZDovL25kci5kZS81N2IzZmEzNy05ZjUwLTRkOTMtYjBiMC1hZjljY2QyN2ZmMzY.
Societas Medicinae Sinensis, unter www.tcm.edu