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Initiative Selbsthilfe Multiple Sklerose Kranker e. V.

Wie sich das Atmen positiv auf Gesundheit und MS-bedingte Beschwerden auswirken kann

Beate Eichmeier, Blickpunkt-Ausgabe 02/2023

Atmung und Gesundheit stehen miteinander eng in Zusammenhang. Eigentlich klingt Atmung so banal. Im Schnitt atmen wir 12–15-mal pro Minute. Pro Stunde sind das knapp 900 Atemzüge und pro Tag über 20.000. Und das alles geschieht, ohne dass wir etwas dafür tun oder daran denken müssen. Wie soll also über die Atmung unsere Gesundheit zu beeinflussen sein, wenn sie ohnehin automatisch abläuft? Ganz einfach – indem wir dafür Sorge tragen, dass sie nicht mehr automatisch abläuft, sondern unsere Atmung und Atemtechniken bewusst einsetzen.

Gesundheitliche Vorteile der richtigen Atmung

Viele Menschen neigen bei Anstrengungen oder aufgrund einer verstopften Nase dazu, durch den Mund zu atmen. Dann gelangt die Luft durch die Luftröhre direkt in die Lunge, und die Filterfunktion der Nase zum Schutz der Lunge (Bakterien und sonstige Eindringlinge werden unschädlich gemacht, bevor sie weiter in den Organismus eindringen können) wird außer Kraft gesetzt. Durch die Nase wird die Luft zudem vor dem Kontakt mit der Lunge und der Schleimhaut erwärmt und befeuchtet sowie durch eine Nasenatmung der Organismus bei Anstrengungen schneller wieder beruhigt. Das Energieniveau im Körper ist dann allgemein höher, und Selbstheilungskräfte können angeregt werden, da das für Entspannung zuständige parasympathische Nervensystem aktiviert ist. Am höchsten ist das Energielevel, wenn über die Nase eingeatmet und über den Mund ausgeatmet wird.

Viele Menschen atmen außerdem zu flach. Bei solch einer Atmung, meist über die Brust, können pro Minute nur ca. 10 l Sauerstoff aufgenommen werden, während eine tiefe Bauchatmung pro Minute zwischen 50 und 75 l Sauerstoff in den Körper befördern kann. Zu wenig Sauerstoff kann zu einer Unterversorgung des Gehirns, zu Kopfschmerzen oder Muskelverspannungen führen. Durch eine tiefe Atmung werden dagegen Gifte aus dem Körper ausgeschieden und das Immunsystem aktiviert. Außerdem können Stress und Angstgefühle abgebaut werden.

Der richtigen Atmung werden fokussierende, muskelentkrampfende und regenerierende Wirkungen zugeschrieben. Sie kann sich positiv auf Blähungen auswirken und sogar Karies reduzieren. Darüber hinaus wird das Nervensystem besser reguliert, und Schlafprobleme können sich bessern. Auch Bluthochdruck und depressive Verstimmungen können mithilfe der richtigen Atmung gesenkt bzw. gemildert werden.
Einige dieser Symptome sind Menschen mit MS alles andere als unbekannt – so gilt etwa Stress als einer der größten Trigger für das Fortschreiten oder auch das Auslösen der Krankheit. Auch von Ängsten, Schlafstörungen oder depressiven Verstimmungen sind Menschen mit MS überproportional häufig betroffen, was die Lebensqualität erheblich einschränken kann. Muskelsteife, Spastiken und Verdauungsprobleme zählen zu weiteren Symptomen, die mit der MS in Zusammenhang stehen.

Richtig atmen – aber wie?

Bei der Bauchatmung oder auch Zwerchfellatmung wird über die Nase geatmet, und das Einatmen erfolgt durch die Kontraktion des Zwerchfells. Die Lunge wird gedehnt, und Luft wird angesaugt. Beim Ausatmen kommt es zu einer Entspannung des Zwerchfells, die Lunge zieht sich zusammen, und die Luft wird hinausgepresst.
Beim Einatmen gelangt die Luft bis in den Bauchraum, der Bauch weitet und wölbt sich. Beim Ausatmen fällt die Wölbung in sich zusammen. Wichtig ist, bei der Bauchatmung auch auf eine aufrechte Körperhaltung mit möglichst geraden Schultern zu achten.
Am einfachsten ist es für Anfänger, sich mit geradem Rücken, die Arme seitlich neben dem Körper und einer Hand auf dem Bauch, auf den Boden oder eine Sportmatte zu legen. Die Einatmung sollte möglichst bewusst und lange in den Bauch erfolgen, sodass sich die Bauchdecke hebt und beim Ausatmen wieder senkt. Wenn möglich, können Ein- und Ausatmung immer weiter verlängert werden. Wird diese Atmung ca. 10–15 Minuten (am Anfang auch gerne kürzer) praktiziert, so können Körper und Geist wunderbar entspannen.

Die regelmäßige und tiefe Bauchatmung ist eine einfache Art und Weise, dem Körper und Geist Gutes zu tun und sie zu beruhigen. Es gibt auch etwas komplexere Techniken der Atmung. Dazu zählen z. B. die 4-7-8-Atmung, die Boxatmung oder auch das entschleunigte Atmen.

4-7-8-Atmung

Die 4-7-8-Atmung beschreibt ein Einatmen für die Dauer von 4 Sekunden, ein Anhalten des Atems für die Dauer von 7 Sekunden und ein anschließendes Ausatmen für 8 Sekunden. Es wird durch die Nase eingeatmet und über den Mund ausgeatmet. Sollte der Zeitraum gerade am Anfang zu lange sein, kann diese Atemtechnik auch um die Hälfte verkürzt werden, d. h. 2 Sekunden einatmen, 3,5 Sekunden halten und 4 Sekunden ausatmen.
Die 4-7-8-Atmung soll Angstzustände lindern, das Einschlafen beschleunigen sowie Heißhungerattacken und Aggressionen kontrollieren können. Einer Studie der Universität Athen zufolge sollen des Weiteren auch Müdigkeitsgefühle reduziert, die Stresstoleranz gesteigert, Migräne verbessert und der Blutdruck gesenkt werden können. Entspannungstechniken wie die Progressive Muskelentspannung oder Meditationen können mit der 4-7-8-Atmung kombiniert werden.

Boxatmung

Bei der Boxatmung wird zunächst 4 Sekunden über die Nase eingeatmet, der Atem wird für 4 Sekunden gehalten, für 4 Sekunden ausgeatmet und anschließend wieder für 4 Sekunden gehalten. Diese Atemtechnik wird auch von den United States Navy SEALs (einer Spezialeinheit der U.S. Navy) praktiziert, um in angespannten Situationen einen klaren Kopf behalten zu können. So wird das für die Entspannung zuständige parasympathische Nervensystem aktiviert, und ein besserer Umgang mit Stress sowie eine verbesserte Denkleistung sind die Folge. Die Lungenkapazität und das Immunsystem werden auf diese Weise gestärkt, der Blutdruck kann gesenkt und das autonome Nervensystem reguliert werden. Schnelleres Einschlafen kann beim Praktizieren unmittelbar vor dem Schlafengehen die Folge sein.

Entschleunigtes Atmen

Entschleunigtes Atmen beruht darauf, dass dem Körper signalisiert wird, er befinde sich in einem schlafähnlichen Zustand. Dadurch entspannt er bereits nach kurzer Zeit. Dazu muss diese Atmung über einen Zeitraum von mindestens 3–10 Minuten praktiziert werden. Pro Minute werden nur ca. 6 tiefe Atemzüge genommen, idealerweise wird 6 Sekunden über die Bauchatmung eingeatmet und anschließend 4 Sekunden ausgeatmet.

Dadurch können u. a. die Herzleistung optimiert, der Blutdruck gesenkt und auch Ängste reguliert werden. Studien zufolge können dadurch Depressionen, die kognitiven Fähigkeiten und sogar bestehendes Asthma verbessert werden.

Dranbleiben

Oftmals fällt es schwer, in einen vollgepackten Alltag regelmäßige Atemübungen einzubauen. Hier können Apps oder auch Uhren, in denen solche Funktionen integriert sind, aber Abhilfe schaffen. Dranbleiben zahlt sich in jedem Fall aus, denn durch eine bewusste Atmung können MS-bedingte Symptome nachweislich gelindert werden.

Quellen und weitere Informationen